21:00 Uhr am Rasthof "Bückethaler Knick" in Bad Nenndorf. Nieselregen. Es riecht nach Abgasen und kalter Luft. Schwertransport-Fahrerin Sophie Thieme dreht noch eine Runde mit ihrem Hund, bevor es gleich Richtung Stemwede geht. Drei Stunden wird die Fahrt dauern, wenn alles glatt läuft. "Das ist eine ganz normale Strecke, nichts Besonderes", sagt sie gelassen.
Fast ironisch wirkt das, wenn man den 97-Tonnen-Koloss hinter ihr sieht. "46,4 Meter lang", kommt es wie aus der Pistole geschossen. Der Schwertransporter hat einen Teil vom Turm für ein Windrad geladen. Daneben sieht die zierliche Frau mit den langen roten Haaren fast winzig aus.
Schwertransporte sind Team-Arbeit
Unterstützt wird die Frau hinter dem Schwertransport-Steuer von Enrico Horn. Er steht neben seinem Begleitfahrzeug, das schrill gelb und mit rot-weiß gestreiften Markierungen im Schein der Straßenlaternen reflektiert. Seine Hose ist genauso gelb.
Er fährt die Hinweistafel auf dem Fahrzeug hoch und ein rotes Dreieck mit einem Ausrufezeichen leuchtet auf. "Ich fahre hinterher und passe auf sie auf", sagt Enrico die Hand in der Hosentasche.
Insgesamt vier Schwertransporter starten heute vom Rastplatz Richtung Windpark. Denn nur auf wenigen Rasthöfen ist ausreichend Platz, um die Schwertransporter zu parken. Vier Etappen sind es von Give in Dänemark, wo die Teile produziert werden.
Bevor es losgeht, noch schnell einen Kaffee und eine Kippe. Team-Besprechung. "Wir fahren bis zum Ende der 33, oder?" Nicken. Die Strecke sind Sophie und Enrico schon häufiger gefahren. Heute fahren zwei weitere Begleitfahrzeuge bei ihrem Konvoi mit. Fahren dürfen sie nur zwischen 22:00 und 6:00 Uhr, um den Verkehr nicht zu behindern.
Platzprobleme am Kreisverkehr
Kurz vor 22:00 Uhr. "Wir wollen dann los", sagt Sophie enthusiastisch zu ihren Kollegen, die noch gemütlich im Kreis stehen. Der Schwertransporter rollt los, drei Begleitfahrzeuge hinterher.
Entlang der Autobahn 2 bleiben Enrico und seine Kollegen immer hinter Sophie und sichern ab. Die gelben Warnlichter flackern hastig auf und ab. Kurz vor einer Baustelle lassen sich zwei Fahrzeuge zurückfallen und die Anzeige auf dem Dach wechselt: Überholverbot.
Das vier Meter breite Gefährt rollt dann auch mal über zwei Spuren. Mit 80 km/h geht es in Richtung Stemwede. An Steigungen deutlich langsamer.
Bevor der Schwertransporter überhaupt starten konnte, musste das zuständige Transportunternehmen Gutmann etliche Dinge klären. Die gesamte Strecke ist vorgenehmigt.
Es gibt Auflagen, dass Brücken etwa nur mit 5 km/h und mittig befahren werden dürfen. Eine andere Firma hat zudem Metallplatten auf Teilen der Strecke ausgelegt und sogar einen Kreisverkehr zurückgebaut, um für den LKW Platz zu schaffen.
"Das passt!"
"Die Fahrt auf der Autobahn ist langweilig", sagt Enrico. Nun ist die Kolonne auf der Bundesstraße 51 angekommen. Voraus die erste kritische Stelle: Ein Kreisverkehr. Am Rand liegen dicke Eisenplatten, der bepflanzte Kreisel ist wie eine Torte angeschnitten und zurückgebaut. Enrico hat das Funkgerät in der einen, die Fernbedienung in der anderen Hand. "Fahr erstmal, das passt."
Auf der kleinen Fernbedienung sind vier Pfeile, die in alle Richtungen zeigen. Damit kann Enrico die Hinterachse des Lasters hydraulisch lenken. Denn Sophie kann vorne aus dem Führerhaus nicht das Ende des Transporters überblicken. Ein paar Tipper und die Engstelle ist gemeistert. "Das ist blindes Vertrauen zwischen uns, weil wir das schon ewig machen."
An Enricos Spiegel hängt ein Duftbäumchen, es riecht nach Lavendel, das Licht ist gedämmt. "Mach mal langsam, es kommen rechts und links Leitplanken", rauschen immer wieder Anweisungen über das Funkgerät.
Konzentration ist gefragt, um das Teil unbeschädigt ans Ziel zu bringen. Zwischen Turm und Straße ist nur wenig Platz. Heute ist alles ruhig. Es sind kaum Autos unterwegs. Das ist gut, denn Enrico weiß: "Du hast immer so Schnarchnasen, die unsere Zeichen nicht verstehen und uns behindern."
120 Transporte bis Ende November
"Ist denn die Polizei schon da?", kommt es von Sophie über Funk. "Ja." Die Polizei sichert ab. "Das läuft ja, wie beim Länderspiel."
Es steht ein Wendemanöver an. Der Schwertransporter muss um eine Kurve manövriert werden. "Diesen Baum zu fällen, wurde nicht genehmigt, daher jetzt das Wendemanöver", erklärt der Begleiter. Enrico tippt wieder auf seiner Fernbedienung. Die Hinterachse surrt hydraulisch. Geschafft. Jetzt geht es durch die Ortschaft Drohne. Breite Straßen, kein Problem.
Angekommen am Windpark. Hier übernachten Sophie und Enrico in ihren Fahrzeugen, bevor morgen das Teil abgeladen wird. Das ist in der Nacht verboten. Für Sophie geht es danach direkt wieder nach Dänemark, das nächste Teil abholen und nach Stemwede fahren.
Enrico wird ihr wieder den Rücken freihalten. Noch bis Ende November rollen die Schwertransporter. Dann sind alle 120 Fahrten geschafft und die Strecke wird wieder in ihren Ursprungszustand versetzt.