Urteil im Lügde-Prozess: Lange Haft für beide Angeklagte

WDR aktuell 05.09.2019 Verfügbar bis 30.12.2099 WDR Von Thorsten Knape

Fall Lügde: Lange Haftstrafen für Missbrauch auf Campingplatz

Stand: 05.09.2019, 12:57 Uhr

  • Lange Haftstrafen für die Andreas V. und Mario S.
  • Anschließende Sicherungsverwahrung
  • 32 Kinder auf Campingplatz sexuell missbraucht

Von Jörn Haarmann, Markus Rinke

Am Landgericht Detmold ist am Donnerstag (05.09.2019) einer der größten Prozesse wegen schweren sexuellen Kindesmissbrauchs in der Bundesgeschichte zu Ende gegangen. Die beiden Angeklagten im Lügde-Prozess wurden zu langen Haftstrafen und anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt. Andreas V. muss für 13 Jahre und Mario S. für zwölf Jahre ins Gefängnis.

Andreas V. ist wegen 223 Fällen und Mario S. wegen 48 Fällen schweren sexuellen Missbrauchs verurteilt worden. Die beiden Haupttäter haben laut Gericht mindestens 32 Kinder im Alter zwischen vier und 14 Jahren über Jahre hinweg sexuell missbraucht. Unter den Opfern war auch das Pflegekind von Andreas V.

Innenminister lobt Urteil

"Monströs und abscheulich" beschreibe die Taten nicht ausreichend, so Richterin Anke Grudda in der Urteilsbegründung. Es bleibe die Fassungslosigkeit - wegen der Vielzahl der Fälle und Opfer, der Schwere der Fälle und der Länge des Tatzeitraums von 15 und 20 Jahren. Hinweise habe es gegeben, Kinder hätten sich geäußert, doch sie seien nicht gehört worden.

"Das sind richtig gute Urteile zur Warnung an alle Täter und auch an potentielle Täter", sagte NRW-Innenminister Herbert Reul. Besonders begrüßte er die Sicherungsverwahrung. "Täter, die über Jahre Kindern das Schrecklichste zugefügt haben, was man sich vorstellen kann, dürfen nach der Haftstrafe nicht wieder auf freien Fuß." Solche Taten zu verhindern oder, wenn sie passiert sind, schnellstmöglich zu unterbinden, bleibe eine der wichtigsten Aufgaben seiner Amtszeit.

Geständnisse zum Prozessauftakt

Zum Prozessauftakt Ende Juni hatten die Angeklagten Andreas V. und Mario S. Geständnisse abgelegt. Dies sei ein Verdienst der Verteidiger, erklärte Richterin Anke Grudda. Sie lobte außerdem die Arbeit der Polizei, die mit viel Empathie, Gefühl und Takt umfassende Aussagen der Kinder bekommen hätten.

Das Gericht stellte es den 32 Kindern, Jugendlichen und heute teilweise schon erwachsenen Opfern frei, ob sie sich einer Aussage stellen wollten. Viele verzichteten darauf.

Sicherungsverwahrung "zwingend erforderlich"

Die Richterin ließ bei der Urteilsbegründung keine Zweifel aufkommen, dass die beiden Verurteilten gefährlich seien. Deshalb führe kein Weg daran vorbei, Sicherungsverwahrung anzuordnen.

"Ihre völlige Gleichgültigkeit gegenüber den Opfern, verbunden mit einer pädophilen Neigung, einer gutachterlich festgestellten Persönlichkeitsstörung und der mangelnden Erfolgsaussicht einer Therapie begründet dies, zum Schutz von Jugendlichen und Kindern", so Grudda.

Vermutlich keine Revision

Nach der Urteilsverkündung erklärte der Verteidiger von Andreas V., Johannes Salmen, dass er seinen Mandanten "nicht überreden" werde in Revision zu gehen. Der Jurist betonte, dass die Richterin das Urteil gut begründet habe. Auch der Verteidiger von Mario S. bewertet das Urteil als angemessen.

Was bedeutet Sicherungsverwahrung?

Eine sogenannte Sicherungsverwahrung ist laut NRW-Justizministerium rechtlich nicht als Strafe einzuordnen. Ihr Zweck ist es, gefährliche Täter zu bessern und die Allgemeinheit zu schützen. Bei diesen Straftätern bestehe der Hang, erhebliche und für die Allgemeinheit gefährliche Straftaten zu begehen.

Die Sicherungsverwahrung ist grundsätzlich zeitlich nicht begrenzt. Ob sie fortbesteht, wird regelmäßig von einem Gericht geprüft. Eine Sicherungsverwahrung kann unmittelbar im Urteil angeordnet oder auch vorbehalten werden.

Eine Sicherungsverwahrung schließt sich an die Verbüßung einer Freiheitsstrafe an. Nach dem sogenannten "Abstandsgebot" muss sich der Vollzug der Sicherungsverwahrung deutlich vom Strafvollzug unterscheiden. So ist den "Untergebrachten" eine individuelle und intensive Betreuung anzubieten, insbesondere eine psychiatrische, psycho- oder sozialtherapeutische Behandlung. Sicherungsverwahrung muss von einer Strafhaft räumlich getrennt vollzogen werden, entweder in einer eigenen Anstalt oder in separaten Abteilungen einer Justizvollzugsanstalt.

Opferanwälte zufrieden

Opferanwältin Zeliha Evlice ist mit dem Urteil einverstanden. Ihre Mandantin habe gesagt, Andreas V. solle einfach weg: "Mit dem Urteil hat sie das hören dürfen, worauf sie sich vorbereitet hat." Andere Anwälte von Betroffenen bewerteten das Urteil als gerecht und hoben die sachliche Verhandlungsführung hervor.