Mehr Verdachtsfälle von Kindeswohlgefährdung im Münsterland
Lokalzeit Münsterland. 20.08.2024. 06:16 Min.. Verfügbar bis 20.08.2026. WDR. Von Hartmut Vollmari.
Mehr Verdachtsfälle von Kindeswohlgefährdung im Münsterland
Stand: 21.08.2024, 14:29 Uhr
Den Jugendämtern im Münsterland werden inzwischen deutlich mehr Verdachtsfälle von Kindeswohlgefährdung gemeldet als früher.
Die Zahl der gemeldeten Verdachtsfälle von Kindeswohlgefährdung ist im Münsterland in den vergangenen vier Jahren um 89 Prozent gestiegen, von rund 2.500 auf rund 4.800 pro Jahr. Landesweit betrug der Anstieg zwölf Prozent. Zwar steckt nicht hinter jeder Meldung tatsächlich ein Fall von Vernachlässigung, Gewalt oder Missbrauch. Aber die Zahlen sind alarmierend.
Schock über Missbrauchsfall von Münster?

Die Leiterin des Jugendamtes der Stadt Münster, Sabine Trockel
Der Schock über den Missbrauchskomplex von Münster, der im Jahr 2020 aufgedeckt wurde, sitzt in der Region offenbar besonders tief. Dutzende Kinder wurden vor Kameras sexuell gequält, unter anderem in einer Gartenlaube. Am Ende wurde eine Vielzahl von Tätern in ganz Europa ermittelt. Seitdem werden erheblich mehr Verdachtsfälle angezeigt.
Für Münster speziell gilt, dass wir eine erhöhte Sensibilisierung der Bevölkerung und von Fachkräften haben. Das ist eigentlich immer zu beobachten in Städten, die im Zentrum von Missbrauchskomplexen sind. Sabine Trockel
Leiterin des Jugendamtes der Stadt Münster
14 Fälle von Kindeswohlgefährdung pro Woche
Allein in Münster ist im vergangenen Jahr in rund 600 Fällen eine Kindeswohlgefährdung festgestellt worden. "Das sind rein rechnerisch 14 Fälle pro Woche von Kindern oder Jugendlichen in Not", sagt Prof. Christian Schrapper, Gutachter im Missbrauchskomplex von Münster.
Seit dem großen Missbrauchsfall in der Stadt hat es in fast allen Jugendhilfeeinrichtungen der Region und auch bei Familiengerichten viele Fortbildungen gegeben. Der Nachholbedarf war und ist groß, wie Martin Janning, Kinder -und Jugendpsychologe, erklärt. Kindeswohlgefährdung zu erkennen braucht Erfahrung.
Schaut auch auf verdeckte Nöte der Kinder, bagatellisiert sie nicht und sucht euch Hilfe durch Fachkräfte, wenn ihr das nicht verstehen könnt. Martin Janning
Kinder- und Jugendpsychologe
Mehr Kindeswohlgefährdung wegen Fachkräftemangel?
Die Meldungen von Verdachtsfällen werden wohl weiter steigen, vermutet Münsters Jugendamtsleiterin Sabine Trockel. Denn überall fehlten Fachkräfte - in Kitas und Schulen, wo eigentlich besonders genau hingeschaut werden müsste.
Unsere Quellen:
- Jugendämter im Münsterland
- IT.NRW
- Kinder- und Jugendpsychologe Martin Janning
- Jugendamtsleiterin Sabine Trockel, Münster
- Christian Schrapper, Gutachter im Missbrauchskomplex Münster