Kindesmissbrauch in Münster: Jetzt beginnt die Fehlersuche

Stand: 07.06.2020, 12:39 Uhr

  • Missbrauch: Warum dauern Ermittlungen so lange?
  • Warum konnte Hauptverdächtiger unbemerkt weiter machen?
  • Muss die Gesellschaft besser hinschauen?

Nachdem ein kinderpornografisches Netzwerk in Münster aufgedeckt wurde, kommen nun immer weitere Details ans Licht. Doch neben dem Schock über die abscheulichen Taten drängen sich auch weitere Fragen auf.

Warum dauern Ermittlungen so lange?

Ein Kellerraum, in dem ein riesiger Server aufgebaut ist.

Der "Serverkeller" des Hauptverdächtigen

Der 27-jährige Hauptverdächtige ist IT-Spezialist. Bereits im Mai 2019 kam es bei ihm zu Hausdurchsuchungen. Dabei wurden große Mengen an Daten gefunden, die laut Polizei "hochprofessionell" verschlüsselt waren. Seitdem widmen sich Experten der Polizei der Entschlüsselung.

Jetzt - ein Jahr später - sind die ersten Daten mit unzähligem kinderpornografischem Material erst entschlüsselt. Der Leiter der Ermittlungen, Joachim Poll, sprach von aufwendigen, kniffligen und mit viel Technik verbundenen Ermittlungen. Doch auch bis Mai 2020 sollen noch Taten begangen worden sein.

Die langwierigen Ermittlung verwundern Sebastian Fiedler vom Bund Deutscher Kriminalbeamte nicht. Die Kripo müsse besser ausgebildet werden, mahnt Fiedler daraufhin im WDR-Fernsehen. "Wir müssen IT-Techniker haben, die sich mit Verschlüsselungstechnik auskennen."

Er fordert eine deutlich verbesserte personelle und technische Ausstattung bei der Polizei. "In einem solchen Fall stellen wir beim Blick in die kriminalpolizeiliche Praxis fest, dass wir über unsere Grenzen hinaus kommen. Wir müssen ja Experten haben, die ermitteln, aber die ziehen wir woanders los und holen sie aus anderen Dienststellen."

Dass nach dem Fall in Bergisch-Gladbach schon wieder ein großer Missbrauchsfall aufgedeckt wurde, verbucht hingegen NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) für sich als Erfolg. "Jeder Fall, den wir mehr entdecken, zeigt, dass die Polizei gut arbeitet" sagte er am Sonntag in der WDR-Sendung "Westpol". Die vielen zusätzlich eingestellten Polizisten zahlten sich jetzt aus.

Warum konnte Adrian V. unbemerkt weiter machen?

Der Hauptverdächtige Adrian V. ist schon seit Jahren im Visier der Behörden. Der 27-Jährige war in den Jahren 2016 und 2017 zweimal wegen der Verbreitung und des Besitzes von Kinderpornografie zu Bewährungsstrafen verurteilt worden.

Das Familiengericht sah aber keinen Anlass, den Stiefsohn des Beschuldigten aus der Familie zu nehmen, sagt Oberbürgermeister Lewe.

Der Mann habe sich offen zu seiner Pädophilie bekannt und zwei Mal eine Therapie gemacht, nach Angaben seiner Bewährungshelfer mit Erfolg. "Es wird die Diskussion brauchen, wie viele Bilder ich eigentlich verbreiten muss, bis ich in Haft komme", so Sebastian Fiedler gegenüber dem WDR. "Da ist der Gesetzgeber gefragt."

Muss die Gesellschaft besser hinschauen?

Der Missbrauch von Münster in der Gartenlaube weckt sofort Erinnerungen an die Missbrauchstaten auf einem Campingplatz von Lügde, die Ende 2018 aufgedeckt wurden.

Wie ist das möglich, dass jetzt wieder keiner etwas gemerkt hat? Das Jugendamt hatte schon vor fünf Jahren Kontakt zur Familie des Hauptbeschuldigten. Man müsse noch aufmerksamer werden, sagt Polizeipräsident Rainer Furth - angefangen bei Kitas und Schulen über Kinderärzte, aufmerksame Nachbarn und Bewährungshelfer sowie in den Jugendämtern.

Viel zu oft kämen die Ermittler nur über IP-Adressen auf die Spur der Täter, viel zu selten über aufmerksame Menschen. Auch im konkreten Fall kamen die Ermittler über eine IP-Adresse auf die Spur des 27-jährigen Hauptverdächtigen aus Münster.