Bevor es losgeht, muss Kapitän Bernd Stumpf erst noch ein Problem lösen. Die Sicherheitskameras auf dem gerade modernisierten Schiff wollen nicht. Die Monitore bleiben dunkel, so kann die MS Westfalen nicht starten. Einige Minuten später funktioniert alles und mit vollen Akkus geht es auf die Rundfahrt über den Biggesee.
Sofort volle Kraft
Kapitän Bernd Stumpf
"Wir müssen etwas vorsichtiger Gas geben als bei den Dieselmotoren. Bei den Elektroantrieben ist sofort die volle Kraft da, das ist nicht gut für den Antrieb", beschreibt Stumpf den Unterschied für ihn und seine Kollegen auf der Brücke. Still gleitet die MS Westfalen über den Stausee im Sauerland. Nur das Plätschern des von den Schiffsschrauben aufgewirbelten Wassers ist zu hören. Und noch etwas fällt auf: Das typische Vibrieren der Schiffsdiesel fehlt und natürlich deren Abgase.
Dicke Leitungen sind nötig
Um die genau 304 Akkus im Unterdeck laden zu können, hat die Reederei am Hafen eine neue Trafostation gebaut, die ausschließlich mit Ökostrom gespeist wird. Die dafür nötigen "dicken Stromleitungen", wie es der Geschäftsführer beschreibt, lagen bereits. Akkus und Trafo wurden von Bund und Land gefördert. Die Reederei hat trotzdem "eine sechsstellige Summe" für den Umbau des 45 Jahre alten Schiffs in die Hand genommen. Laut Betreiber habe sich schon in den ersten Tagen gezeigt, dass rund 65 Prozent der Batteriekapazität für den Tagesbetrieb ausreichen.
Investition für die nächsten 30 Jahre
Rainer Miebach, Lux-Werft
Die Akkus kommen aus der Automobilindustrie - bewährte Technik. "Die Fachleute haben uns versprochen, dass sie 6.000 Ladezyklen überstehen", sagt Rainer Miebach, Geschäftsführer der Lux-Werft, zu der die MS Westfalen gehört. "Wir kommen mit den vollgeladenen Akkus einen Tag lang aus und fahren an 200 Tagen im Jahr." Rein rechnerisch halten die Akkus also die nächsten 30 Jahre. Durch die Umrüstung des Schiffes würden jährlich etwa 165 Tonnen CO2 eingespart. "Dabei haben wir die CO2-Bilanz für die Herstellung der Batterien und die Umrüstung bereits beachtet", erklärt der Schiffbauingenieur.
Die weiße Flotte wird grün
Bernd Stumpf ist auf einer kleinen Runde über "sein" Schiff. Alles läuft so, wie es auch in der Hauptsaison im Sommer funktionieren soll. "Alles an Bord wird mit den Akkus betrieben, von den Kühlräumen bis zur Kaffeemaschine" ist Stumpf sichtlich stolz. Die Energiespeicher werden mit zertifiziertem Strom aus erneuerbaren Quellen geladen.
Die MS Westfalen ist ein klimafreundliches Ausflugsschiff geworden. Der Kapitän macht aber auch deutlich, dass jetzt noch lange nicht Schluss ist. Weitere Schiffe der Reederei fahren auf der Sorpe, dem Möhne- und Hennesee. Sie sollen spätestens Ende 2024 auf Elektroantriebe umgerüstet sein. Die weiße Flotte auf den Sauerländer Seen wird grün.