Die Deutsche Bahn erhält den Award bereits zum dritten Mal. Nach Ansicht der Jury ist das Unternehmen eine der größten Datenkraken in Deutschland. Fahrgäste würden zur Nutzung der "DB Navigator"-App gedrängt. Diese setze Tracker ein, die nicht abgelehnt werden könnten, so die Jury. Der Juror und Netzaktivist mit dem Pseudonym "padeluun" sagt dazu: "Bahncards gibt es nur noch digital, Supersparpreise und Sparpreise gibt es nicht mehr am Automaten. Ich kann nicht mehr anonym reisen."
Die Bahn schrieb dazu auf Anfrage, dass die Digitalisierung nicht mehr aufzuhalten sei. Datenschutzrichtlinien würden natürlich eingehalten.
Karl Lauterbach und sensible Patientendaten
Zu den prominenten Preisträgern in diesem Jahr zählt auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. Er sei für die nationale Umsetzung des so genannten "Europäischen Gesundheitsdatenraum" zuständig. Dabei geht es um sensible Patientendaten. Die sollen zukünftig in Europa für die medizinische Forschung, aber auch zur Produktentwicklung ausgetauscht werden können.
Weil diese Daten nach nicht definierten Verfahren weitergegeben würden, sieht Big Brother Jurorin Rena Tangens eine Gefahr: "Die Daten sind zwar pseudonym abgelegt, aber es ist durchaus möglich, wenn man viele Informationen von einer Person hat, eine Re-Identifizierung einer Person, also die Zuordnung von einer Person zu diesen Gesundsheitsdaten vorzunehmen." Aus dem Bundesgesundheitsministerium gibt es bisher keine Stellungnahme zu der Negativauszeichung.
Videoüberwachung mit Gesichtserkennung in Sachsen
Genauso wenig wie aus dem Innenministerium in Sachsen. Denn die Polizei des Bundeslandes, vertreten durch den zuständigen Minister Armin Schuster, wird mit einem Big Brother Award für ihre Videoüberwachung im Straßenverkehr bedacht.
Stationäre und mobile Kameras würden eine automatische Gesichtserkennung durchführen. Die Jury kritisiert: So würden nicht nur Kriminelle, sondern vor allem Unbeteiligte biometrisch erfasst.
Wer ist die Jury des Big Brother Awards?
Die Jury ändert sich von Jahr zu Jahr. Sie besteht aus Bürgerrechtlern und Datenschützern. In diesem Jahr aus Dr. Thilo Weichert (ehemaliger Datenschutzbeauftragter des Landes Schleswig-Holstein), Frank Rosengart (Programmierer im Kommunikationsbereich, Mitglied im Chaos Computer Club e.V.), Peter Wedde (Professor für Arbeitsrecht und Recht der Informationsgesellschaft an der Frankfurt University of Applied Sciences), padeluun (Künstler, Mitgründer von "Digitalcourage") und Rena Tangens (Künstlerin und politische Geschäftsführerin von "Digitalcourage").
Chinesische Plattformen Temu und Shein
In der Kategorie "Verbraucherschutz" geht der Big Brother Award in diesem Jahr an zwei chinesische Online-Handelsplattformen. Nämlich "Temu" und "Shein".
Jurymitglied Rena Tangens sagt dazu: "Temu und Shein ziehen sich aus der Verantwortung zurück durch ihre AGB. Die Kundinnen und Kunden in Deutschland werden de Jure selber zu Importeuren der Ware und müssen dann eben auch für alles gerade stehen, was dabei daneben läuft. Zum Beispiel können sie nachträglich zu Zollzahlungen herangezogen werden und möglicherweise auch von Markenfirmen verklagt werden, wenn sie billige Produktfälschungen eingekauft haben."
Keiner der Preisträger vor Ort
Keiner der Preisträger ist vorbei gekommen oder hat jemanden geschickt, um den Preis entgegenzunehmen. Julia Witte vom Verein digitalcourage: "Wir finden das schade, dass unser schöner Preis so selten abgeholt wird. Denn die Auszeichnung soll auch immer ein Gesprächsangebot sein. Wir müssen in der Gesellschaft mehr über die Themen Datenschutz und Digitalzwang sprechen."
Die deutschen Big Brother Awards werden schon seit 24 Jahren verliehen. Und sie wirken: So hat beispielsweise Tchibo den Handel mit Kundendaten gestoppt. Doch erst vier Preisträger nahmen die Negativauszeichnung persönlich in Bielefeld entgegen, darunter Microsoft und die deutsche Telekom.
Unsere Quelle:
- Big Brother Awards
Darüber berichtet die Lokalzeit aus OWL am 11.10.2024 auch im Fernsehen um 19.30 Uhr.