Eine ältere Frau sieht in einem Regionalzug keinen anderen Ausweg, als in einen Waggon zu pinkeln - diese Geschichte bewegte vor einigen Tagen sehr viele Menschen. Auch wir haben darüber berichtet.
Und wir haben unsere Leserinnen und Leser gebeten, uns ihre Erfahrungen und Gedanken zu öffentlich zugänglichen Toiletten zu schildern. Per Mail und auf Facebook haben das viele Menschen getan. Hier sind einige ausgewählte Zuschriften. Die Texte haben wir zum Teil gekürzt und für bessere Lesbarkeit leicht bearbeitet.
- Wegen Toilettengang den Anschlusszug verpasst
- Ein Vorbild: Die Paderhalle in Paderborn
- "Einfach nur ein peinliches Desaster"
- "Als ich ankam, war es leider schon zu spät"
- Am Rheinufer weit und breit kein Klo
- "Traurig, wie man allein gelassen wird"
- Dein Freund und Helfer
- Gastronomie-Toiletten: Die andere Seite
Wegen Toilettengang den Anschlusszug verpasst
Besonders die Lage in der Bahn wird von unseren Leserinnen und Lesern häufig genannt. So berichtet uns Wolfgang Gruppe aus Köln:
"Als ich von Kassel Wilhelmshöhe nach Hamm in einem Regionalzug, ich glaube 'National Express', letztes Jahr im Juli 2023, unterwegs war, waren alle drei Toiletten nicht benutzbar. Der Zug war voll besetzt, viele Passagiere standen oder saßen in den Gängen. Die Fahrt dauert ca. 2 Stunden und ich habe eine schwache Blase und es baute sich zunehmen Druck in derselben auf, obwohl ich in Kassel zuvor auf Toilette war.
Endlich in Hamm angekommen musste ich eiligst dort zur Toilette und verpasste dadurch den Anschlusszug nach Köln. Ich habe mich nachträglich über den Toilettenzustand beschwert. Die Antwort war, dass man rechtlich nicht verpflichtet ist, Toiletten für Passagiere vorzuhalten. Drei defekte Toiletten für, ich schätze mal, 300 Passagiere, was ist da 'rechtlich' schiefgelaufen bei den zuständigen Entscheidern auf Bahn-Ebene, Aufsichtsbehörde oder Politik?"
Ein Vorbild: Die Paderhalle in Paderborn
Ähnliche Erfahrungen hat auch Heike Gathmann aus Bad Lippspringe gemacht – sie berichtet aber auch von einem Positivbeispiel.
"Libori in Paderborn! Parken auf dem Maspernplatz vor der Paderhalle. Da meldet sich die Blase. Doch kein Problem! Die Paderhalle hat Toiletten geöffnet, deutlich gekennzeichnet durch ein Schild an der Außenwand. Drinnen wird man von einer netten Dame empfangen; die Toiletten sind picobello sauber und es riecht frisch. Als ich bei der Dame bezahlen möchte, erfahre ich, dass dieser Service kostenlos sei. Ein tolles Willkommen in Paderborn.
Eine andere Erfahrung habe ich allerdings im vergangenen Jahr auf einer Fahrt mit der DB von Altenbeken nach Kiel gemacht. Von Hannover an hatte ich einen durchgehenden ICE 1. Klasse gebucht. Kurz vor Hamburg wurden alle Fahrgäste gebeten auszusteigen und in einen Nahverkehrszug umzusteigen. Die Toiletten seien alle nicht mehr benutzbar, der Zug dürfe aus diesem Grunde nicht mehr weiterfahren.
Mit hängender Zunge habe ich den Nahverkehrszug erwischt, in der 1.Klasse war kein Platz mehr frei, im ganzen Zug standen die Menschen dicht an dicht in den Gängen. Es gab zwar eine Toilette, aber absolut kein Durchkommen dorthin! Erleichterung fand ich erst auf der Bahnhofstoilette in Kiel."
"Einfach nur ein peinliches Desaster"
Auch abseits der Bahn lässt die Versorgung mit öffentlichen Toiletten zu wünschen übrig, findet Patrick Jost aus Balve.
"Die Verfügbarkeit von öffentlichen Toiletten ist in Deutschland einfach nur ein peinliches Desaster und würde eher zu einem Entwicklungsland passen. Besonders fällt dieses auf, wenn man aus dem Frankreichurlaub zurück kehrt. Dort gibt es sehr viele Toiletten, kleine Dörfer stellen diese teilweise bereit, an Stränden und in jeder Markthalle. Zwar spartanisch und teilweise nicht besonders sauber, aber immerhin vorhanden!
In Deutschland wurde alles abgeschafft oder durch Beutelschneiderei ersetzt, siehe Sanifair (was ein Hohn der Name). Auf Festen wird mit dem Toilettenwagen natürlich auch gewirtschaftet und Corona hat der Sache den Todesstoß gegeben.
Kürzlich wollte ich in meiner Sparkasse zur Kundentoilette, was früher kein Problem war. Diese fand ich aber verschlossen und fragte nach dem Schlüssel. Auskunft der netten Dame: '… die ist wegen Corona geschlossen!'. Ich habe sie aufgeklärt, dass man sich 2024 keine Sorgen darüber machen braucht aber den Schlüssel habe ich nicht bekommen. Einfach eine billige Ausrede, um am Unterhalt sparen zu können und das bei einer Sparkasse, die nicht mal groß auf Gewinn ausgerichtet ist (theoretisch)."
"Als ich ankam, war es leider schon zu spät"
Unter einem Facebook-Post zum Thema kommentierte eine Nutzerin, dass es gerade für Menschen mit Erkrankungen schwierig ist, eine Toilette zu finden.
"Am Anfang meiner MS-Erkrankung pressierte es mich in einem Geschäft hier in Neuss sehr. Ich habe gefleht, mich bitte auf die Toilette zu lassen, habe auch erwähnt dass ich an Multipler Sklerose erkrankt bin, war der Dame hinterm Tresen vollkommen egal. Ich solle doch zu Hause bleiben, da könnte ich immer auf Toilette gehen, im Geschäft könne ich nicht gehen, bei McDonald's sei eine zugängliche Toilette.
Bin dann mehr schlecht als recht zu McDonald's 'gelaufen', dort die Treppen rauf zur Kundentoilette, als ich schlussendlich da in der Toilette ankam, war es leider schon zu spät und die Hose nass, ich habe mich so unglaublich geschämt. Dieses Geschäft hatte mich da zwei Mal gesehen, zum ersten und zum letzten Mal, es war absolut demütigend.
Rechtlich gesehen war das Handeln der Dame übrigens vollkommen korrekt, ob das moralisch in Ordnung ist, stelle ich in Frage. Ein Problem ist sicher, dass einige Individuen es nicht schaffen, eine Toilette so zu hinterlassen wie sie sich selbst wünschen, selbige vorzufinden. Wegen einiger weniger zu verbieten, dass Kunden die Toilette benutzen, finde ich zumindest fragwürdig. Ich habe selbst eine Zeit lang im Einzelhandel gearbeitet und bei uns durften die Kunden selbstverständlich auf Toilette gehen.
Mittlerweile habe ich den Euroschlüssel, habe diverse 'Toiletten-Apps' auf dem Smartphone, aber eine Garantie, eine saubere, im Zweifelsfall sogar barrierefreie, Toilette zu finden, sind all diese Apps nicht. Ja, es braucht mehr öffentlich zugängliche, barrierefreie Toiletten."
Am Rheinufer weit und breit kein Klo
Eine Leserin, die anonym bleiben möchte, berichtet uns von einer Erfahrung, die sie als "absurde Mischung aus amüsant und erniedrigend" beschreibt. Wie sie schreibt, muss sie infolge mehrerer Operationen häufiger aufs Klo.
"Letztes Jahr in Düsseldorf am Rhein, auf den Rheinwiesen gegenüber von der Altstadt, bekam ich ein richtiges Problem. Dahin fuhr ich recht regelmäßig mit unserem Hund spazieren, wie viele andere es auch tun.
Doch einmal hatte die Blasenleerung daheim nicht ausgereicht und bereits 20 Minuten etwa nachdem ich am Ufer angekommen war, drückte die Blase. Das Auto war notgedrungen weiter weg geparkt. Die Rheinwiesen sind selbst im Stadtzentrum sehr weitläufig und gleichzeitig weit weg von möglichen Läden, die eine Gästetoilette hätten.
Und natürlich sind sie perfekt einzusehen - von den beiden Brücken, vom gegenüberliegenden Ufer und komplett drumherum, weil es weit und flach ist. Mir war klar, ich würde es nicht zum Auto geschweige denn nach Hause schaffen. Die Verzweiflung trieb mich dann dazu, auf eine der Buhnen zu klettern, die zu dem Zeitpunkt weit aus dem Wasser ragten, bis zu ihrem Ende also Richtung Flussmitte zu laufen und mich dort hinzusetzen.
Ich wollte trotzdem nicht gesehen werden, zumindest nicht beim Pinkeln, also habe ich so getan als säße ich da nur (während mein Hund in der Nähe rumlief) und habe ganz langsam meinen Slip unter meinem weiten Rock so weit runtergezogen, dass ich mich erleichtern konnte.
Es war ein absolut horrendes Manöver, das ich nie zu wiederholen hoffe. Eine absurde Mischung aus amüsant und erniedrigend. Suboptimal wäre eine Untertreibung. Soweit ich weiß, hat mich niemand gesehen, aber das lässt sich nicht ausschließen mitten im Zentrum der Landeshauptstadt von NRW, wo auf einer Uferseite keine Toiletten jedweder Art zu finden sind."
"Traurig, wie man allein gelassen wird"
Brigitte El Kharouay aus Aachen muss aus gesundheitlichen Gründen häufiger auf die Toilette und beschreibt, wie sie versucht, dafür im Alltag vorzubeugen.
"Es ist einfach nur traurig, wie sehr man mit seinen Bedürfnissen allein gelassen wird, egal, in welcher Stadt oder an welchem Ort man gerade ist; die Selbstverständlichkeit vorausgesetzt wird, alles aufhalten zu können - das ist in meinen Augen von den Verantwortlichen Ignoranz hoch 10.
Ich selber habe eine chronische Darmerkrankung und bin oft auf öffentliche Toiletten angewiesen, welche es in Aachen, wo ich sehr gerne wohne, so gut wie gar nicht gibt. Man ist also auf Cafés, Restaurants, Geschäfte angewiesen, außerhalb der Öffnungszeiten - Pech gehabt.
Während der Corona-Zeit war es ganz schlimm, da war einfach alles dicht. Da ist auch schon mal was in die Hose gegangen, weil ich trotz Nachfrage und innigstes Bitten abgewiesen wurde. Ich habe es als sehr demütigend empfunden.
Und genau solche Situationen wie in der Bahn lassen mich immer öfter zum Auto greifen, weil ich dort die Sicherheit habe und notfalls dort anhalten kann, wo ich mein Geschäft erledigen kann. Lebensmittel gehe ich manchmal zu höheren Preisen einkaufen, weil ich weiß, dass es in diesen Läden Kundentoiletten gibt."
Dein Freund und Helfer
Hilfe von ungewöhnlicher Seite bekam Michael Hartmann aus Solingen:
"Als ich früh morgens, als die Geschäfte noch zu hatten, auf dem Weg zur Arbeit mal sehr dringend aufs Klo musste, bin ich zur Polizei gegangen. Die Wache ist 24/7 besetzt und dort wurde ich nach kurzer Schilderung aufs Klo gelassen. Sogar kostenlos. Zumindest bei dieser Wache im Kreis Mettmann gilt noch der Leitsatz: 'Die Polizei, dein Freund und Helfer'."
Gastronomie-Toiletten: Die andere Seite
Ein heiß diskutierter Aspekt ist die Frage, ob Gastronomen es erlauben sollten, dass Menschen Toiletten nutzen, auch wenn sie keine Kunden sind. Den Blick der Restaurantbetreiber darauf schildert uns ein Gastwirt-Paar, das anonym bleiben möchte:
"Wir sind Besitzer einer Gaststätte in einer 13.000-Einwohner-Stadt. In unsere Stadt kommen auch gerne viele Fahrradtouristen.
Vor einigen Jahren wurde bei uns auch das System der netten Toilette eingeführt, die Stadt hat uns ein oder zwei Jahre einen kleinen Betrag überwiesen, damit wir unsere Toilette für alle zugänglich machen. Nach zwei Jahren hatte die Stadt leider für dieses System kein Geld mehr.
Durch unsere sehr zentrale Lage sind bei uns auch sehr viele zur Toilette gegangen und auch wir wollten den finanziellen Aufwand für Reinigung und Verbrauchsmaterial nicht alleine tragen, also haben wir die Toilette nur für unsere Gäste zur Verfügung gestellt und haben aber immer gesagt, dass wir ältere oder kleine Kinder selbstverständlich zur Toilette lassen.
Leider ist es wiederholt vorgekommen, dass gerade unsere Nicht-Gäste die Toilette in einem teilweise sehr dreckigen Zustand verlassen haben. Viele Leute kommen auch bei uns herein und gehen ohne einer Begrüßung, geschweige denn der Frage, ob sie mal zur Toilette dürfen, einfach zur Toilette.
Wir sind leider deshalb dazu übergegangen, lediglich unsere Gäste zu den Toiletten zu lassen und wir müssen sagen, dass wir viel Diskussion führen, obwohl wir schon den Hinweis zu einer öffentlichen Toilette (ca. 50 Meter entfernt) oder Rathaus (100 Meter entfernt) geben.
Wir werden bei Google schlecht bewertet, weil die Toilette nur für Gäste ist. Gegenüber ist eine kleine Bäckerei, die auch Kleinigkeiten anbietet, aber keine Toilette vorweisen muss. Die Kunden möchten auch auf unsere Toilette, was wir natürlich nicht erlauben und auch dafür beschimpft werden."
Illustrationen von Ina Kremer