Hilfsvereine in NRW: Weniger Spenden für die Ukraine
Stand: 02.03.2024, 06:00 Uhr
Die Lage in der Ukraine sieht so schwierig aus, wie schon lange nicht mehr. Trotzdem nimmt zwei Jahre nach dem Angriff Russlands die Spendenbereitschaft deutlich ab. Das spüren nicht nur große Hilfsorganisationen, sondern vor allem kleine, private Hilfsvereine.
Von Cedrik Pelka
In Schwelm nähen ukrainische Geflüchtete Unterhosen für Soldaten. Die Hosen haben Klettverschlüsse an den Seiten, sodass auch Verwundete mit Gipsbein sie anziehen können. Fünf Frauen sitzen an Nähmaschinen in einer großen Lagerhalle. Zwei von ihnen sind die 45-jährige Yuliiy Slirova und ihre Mutter, die vor zwei Jahren von Cherson nach Deutschland geflüchtet sind.
"Wir möchten zum Frieden beitragen und helfen, wo es möglich ist", sagt Yuliiy. In der Lagerhalle um sie herum stapeln sich zwar Kartons mit Windeln, Töpfen, Spielsachen oder Küchengeräten. Aber die Regale sind schon längst nicht mehr so voll wie 2022.
Yuliiy Slirova und Mustafa Celik
Die Halle gehört zur Spedition von Mustafa Celik. Anfang März fährt er mit seinem blau-gelb lackierten Lkw zum 14. Mal in die Ukraine, um dort die Spenden bei Bekannten abzugeben. Die verteilen die Hilfsgüter weiter. Doch es dauert immer länger, das Fahrzeug zu füllen. Die Abstände zwischen den Fahrten werden länger. "Die Menschen brauchen jeden Tag Hilfe und Lebensmittel und Hygieneartikel. Die sind nach kurzer Zeit verbraucht. Die Hilfe ist ein fortlaufender Prozess und nicht nur einmalig wie nach einem Erdbeben", sagt Celik.
Spenden gehen um Hunderte Millionen zurück
Im Jahr 2022 wurde in Deutschland noch über eine Milliarde Euro an alle große Organisationen für die Ukraine gespendet. Dazu kamen Kleidung und Hilfsgüter. Diese Summen sind jetzt weit weg. Das wird am Beispiel des "Aktionsbündnis Deutschland Hilft" deutlich. Im Gesamtjahr 2022 engagierten sich bei ihnen rund 1,2 Millionen Spenderinnen und Spender mit rund 253 Millionen Euro für die Ukraine, teilt das Bündnis auf WDR-Anfrage mit. Im Jahr 2023 waren es 85.000 Menschen, die knapp 18 Millionen Euro spendeten.
"Das bedeutet nicht, dass den Spender:innen die Ukraine nach der ersten Spende egal ist. Es bedeutet lediglich, dass die Menschen ihr Geld nur einmal ausgeben können", so die Hilfsorganisation. Auch bei Save the Children sind die zweckgebunden Spenden deutlich eingebrochen. Stattdessen werde wieder mehr für andere Krisen auf der Welt gespendet. "Eine erwartbare Entwicklung", sagte eine Sprecherin dem WDR.
Lkw können nicht ganz gefüllt werden
Besonders benötigt wird medizinisches Material für die Versorgung von Verletzten. Erst vor wenigen Tagen sprach der ukrainische Präsident Selenskyj von mehreren Zehntausend getöteten und verletzten Zivilisten. Der Hilfsverein "Mensch zu Mensch" aus Wuppertal hat sich auf medizinische Hilfsgüter spezialisiert: Lkw bringen Rollstühle, medizinisches Gerät, Medikamente und anderes in ukrainische Krankenhäuser. Gerade im kalten Winter sei auch Thermowäsche entscheidend für die Soldaten an der Front.
"Wir haben vor kurzem aber auch eine große Spende an Lebensmitteln bekommen. Wenn wir die nicht bald wegbringen, dann werden sie schlecht", erklärt der Vorsitzende Peter Klein. Deswegen fährt der Lkw bald los, allerdings nur zu 80 Prozent gefüllt. "Wir bekommen meistens nur Spenden, wenn wir aufwändig Werbung für unsere Arbeit machen. Im Jahr 2022 haben die Menschen uns von sich aus kontaktiert."
So geht es auch dem Verein "Menschenhilfe" aus Witten. Die Vorsitzende des Vereins, Olga Tape, kann verstehen, warum weniger Spenden kommen: "Die Deutschen haben uns sehr viel geholfen. Bei so vielen Krisen und Inflation ist doch aber klar, dass sie nicht immer mehr und mehr Geld spenden können." Der Verein verkauft dafür Gebasteltes auf Märkten oder organisiert regelmäßig Konzerte. Viele der Engagierten sind selbst aus der Ukraine geflohen. "Jetzt sind wir Ukrainerinnen dran. Wir wollen nicht immer betteln, sondern selbst etwas tun", sagt Tape.
Viele Menschen helfen ehrenamtlich
Es gibt aber auch Lichtblicke. Am ehrenamtlichen Engagement scheitere es nicht, sagen die Vereine. Freitagfrüh bilden 30 Helferinnen und Helfer eine Menschenkette, um Hilfsgüter in Paketen, die wie Umzugskartons aussehen, aus den Lagerräumen zu holen. Die Freiwilligen vom Verein "Bochum-Donezk" beladen damit einen 40-Tonner.
Fast jeden Tag kommen Helfende zu den Lagerhallen, um Spenden zu sortieren. "Bei uns rufen manchmal immer noch 20 oder 30 Menschen am Tag an, um ihre Spenden vorbeizubringen", sagt Monika Grawe aus dem Vereinsvorstand. "Der Verein existiert allerdings auch schon seit den 1980er Jahren und ist tief in Bochum verankert."
In den Paketen befinden sich verschiedene Alltagsgegenstände. "Die Menschen in den Kriegsgebieten haben teilweise nichts mehr. Das meiste ist viel zu teuer geworden", erklärt Grawe. Am Samstagabend soll der Transporter mit den dringend benötigten Spenden in Donezk ankommen.