Ukraine- und EU-Flaggen auf dem Maidan in Kiew

EU-Beitritt der Ukraine: Wie es jetzt weitergeht

Stand: 15.12.2023, 16:20 Uhr

Die EU hat beschlossen, offizielle Beitrittsgespräche mit der Ukraine aufzunehmen. Wann die Verhandlungen genau beginnen, steht aber noch nicht fest. Was jetzt die nächsten Schritte sind.

Den Verhandlungen zum Beitritt der Ukraine in die Europäische Union steht formell nichts mehr im Weg. Der Beschluss über die Aufnahme der Gespräche wurde Donnerstagabend von den EU-Mitgliedsstaaten in Brüssel getroffen. Möglich wurde dies allerdings nur durch einen Trick, da der Beschluss zur EU-Erweiterung einstimmig getroffen werden muss.

Um nicht am Veto von Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban zu scheitern, stimmten die 26 übrigen Mitgliedsstaaten über den Beschluss ab, als Orban nicht im Raum war. Die Idee zu diesem "kreativen Verfahrens-Trick" kam offenbar vom deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).

Nachdem diese Hürde von der EU genommen wurde, sollen die konkreten Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine beginnen. Was das genau bedeutet:

Wann starten die Verhandlungen?

Das steht noch nicht fest. Zwar wurde am Donnerstagabend beschlossen, diese zu führen, ein genaues Datum für den Start gibt es aber noch nicht. Der Zeitpunkt, wann es wirklich losgeht, hängt nämlich davon ab, wann die Ukraine bestimmte Kriterien erfüllt, die für die Aufnahme der Verhandlungen nötig sind. Dazu gehören unter anderem Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte auch von Minderheiten. Bis diese erfüllt sind, bleibt die Ukraine weiterhin nur Beitrittskandidat.

EU-Gipfel: Beitrittsgespräche mit der Ukraine werden geführt

04:46 Min. Verfügbar bis 15.12.2025

Was beinhalten die Verhandlungen?

Der Schritt vom Beitrittskandidaten hin zum Start der Beitrittsverhandlungen bedeutet für die Ukraine vor allem eines: viel Arbeit. Sobald den Verhandlungen abschließend zugestimmt wurde, muss sie damit beginnen, 35 Kapitel abzuarbeiten, um in den entsprechenden Themenfeldern die Voraussetzungen zu schaffen, damit die Rechtsvorschriften der EU in das ukrainische Recht integriert werden können. Unter anderem geht es um Bereiche wie Wirtschaftspolitik, Außenpolitik und Rechtsstaatlichkeit.

Gibt es Knackpunkte bei den Themen?

Ja, zum Beispiel im Bereich und Justiz und Korruption. Die Ukraine liegt aktuell auf Platz 116 von 180 auf dem Korruptionsindex von Transparency International. "In diesem Bereich ist schon viel gemacht worden, es bleibt aber auch noch viel zu tun", sagt die Ukraine-Korrespondentin des WDR, Andrea Beer.

Hohe Beamte, Mitglieder des Geheimdienstes oder des Zolls seien bereits wegen Korruption festgenommen worden. "Es ist auch einer der steinreichen Unternehmer, der sogenannten Oligarchen festgenommen worden", sagt Beer. "Das war übrigens ein ganz ganz wichtiger politischer Verbündeter von Präsident Selenskyj."

Damit der Kampf gegen solche Machenschaften aber auch bei der normalen Bevölkerung wahrgenommen werde, müsse in Zukunft auch die Alltagskorruption in den Fokus genommen werden. "Das heißt, wenn man gezwungen wird, oder sich gezwungen sieht, in Institutionen des Staates Schmiergeld zu zahlen", sagt Beer.

Wie schnell kann man erste Ergebnisse erwarten?

Nicht nur, dass es bislang kein konkretes Datum für den Start der Verhandlungen gibt, zeigt, dass es noch lange dauern wird, bis die Ukraine wirklich der EU beitritt. Der formelle Prozess sieht vor, dass die EU-Kommission sich jedes einzelne dieser Kapitel anschaut und bewertet, inwiefern die Bereiche an das EU-Recht angepasst werden müssen. Ob die Kapitel dann wirklich eröffnet, also abgearbeitet werden, kann wiederum nur der Rat der EU einstimmig beschließen.

Erst wenn alle 35 Kapitel auf diesem Weg abgearbeitet wurden, wird der Beitrittsvertrag entworfen. Bis das passiert, können Jahre ins Land ziehen, wie die Beitrittsverhandlungen anderer Kandidaten zeigen. So starteten die offiziellen Gespräche zwischen der EU und Montenegro im Jahr 2012. Und auch Serbien trat in diese Phase bereits 2014 ein und ist - genau wie Montenegro - bis heute noch nicht Mitglied der EU.

Hat sich nach dem Beschluss viel für die Ukraine geändert?

Jein. Schaut man ganz neutral auf den Prozess des Beitritts, hat sich die Lage für die Ukraine nicht großartig geändert. Noch immer muss die Ukraine bestimmte Voraussetzungen erfüllen, damit die konkreten Verhandlungen losgehen.

Auf der anderen Seite ist der Beschluss von Donnerstagabend ein weiterer mindestens symbolischer Schritt auf dem Weg der Ukraine in die EU. Dieser ist auch an weiteres Signal an die Menschen in der Ukraine, dass die EU das Land als Mitgliedsstaat aufnehmen will.

Für viele Ukrainer sei das eine Herzensangelegenheit, wie Kiew-Korrespondentin Andrea Beer sagt. "Die Ukraine kämpft ja wirklich seit vielen vielen Jahren im Rahmen der Demokratie-Bewegung auf politischer und anderen Ebenen für einen Beitritt zur Europäischen Union", sagt sie. "Also für eine Richtung, die das Land einnehmen möchte: in Richtung Europa und nicht in Richtung Russland, sprich Diktatur, autoritäres System."

Quellen:

  • Nachrichtenagentur dpa
  • WDR 5 Morgenecho Gespräch mit Andrea Beer
  • Website des Auswärtigen Amts der Bundesrepublik Deutschland
  • Website der EU-Kommission

Über dieses Thema berichten wir im WDR am 15.12.2023 auch im Fernsehen: Aktuelle Stunde, 18.45 Uhr.

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