Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan vor einer türkischen Flagge

Ermittlungen in der Türkei wegen Erdogan-Videos in sozialen Medien

Stand: 17.09.2022, 14:03 Uhr

Presse- wie Meinungsfreiheit haben in der Türkei seit Längerem einen schweren Stand. Jetzt ermittelt die Istanbuler Generalstaatsanwaltschaft wegen "beleidigender" Erdogan-Videos.

Die türkische Republik wird im kommenden Jahr 100 Jahre alt und wird seit rund 20 Jahren von Recep Tayyip Erdoğan und seiner muslimisch-konservativen AKP-Partei regiert. Aufgrund großer wirtschaftlicher Probleme im Land bröckelt allerdings die Unterstützung für Erdogan. Experten trauen der Opposition bei den Wahlen im nächsten Sommer den Sieg zu.

Staatsanwaltschaft ermittelt wegen "beleidigender" Videos

Vor diesem Hintergrund dürfte es viele nicht überrascht haben, dass die Istanbuler Generalstaatsanwaltschaft in dem von Erdoğan autokratisch regierten Land nun Ermittlungen wegen "beleidigender" Videos in den sozialen Medien aufgenommen hat. Die Videos zeigen Menschen, die Bündel von Bargeld in der Hand halten oder zählen. Sobald plötzlich der türkische Präsident in Form eines Filters von hinten erscheint, bringen sie ihr Geld genervt in Sicherheit.

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"Holen Sie Ihre Devisen und Ihr Gold unter Ihren Kopfkissen hervor", hört man Erdogan sagen. Ein Hinweis darauf, dass der Präsident in der Vergangenheit wiederholt die türkische Bevölkerung ermutigt hatte, ihre Ersparnisse bei Banken anzulegen, um die marode türkische Lira zu stützen.

Videos sollen auf Tiktok erstellt worden sein

Nach Angaben türkischer Medien wurde die jüngst kursierenden Videos auf Tiktok erstellt und verbreiteten sich dann schnell in den sozialen Medien. Die Behörden prüften derzeit, welche Benutzer die Videos erstellt oder geteilt haben, bestätigte ein Sprecher der Istanbuler Generalstaatsanwaltschaft.

Opposition fürchtet strengere Zensur durch Desinformationsgesetz

Die Grundlage der Ermittlungen wegen "Präsidentenbeleidigung" sei Artikel 299 im Strafgesetzbuch, der Haftstrafen bis zu vier Jahre vorsieht. Die Polizei sei aufgefordert worden, die Verdächtigen zu identifizieren und festzunehmen, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu.

Der ehemalige Chefredakteur der Zeitung Cumhuriyet und Erdoğan-Kritiker Can Dündar weiß, dass man sich in der Türkei mit Kritik an Erdoğan auf dünnes Eis begibt. Er wurde in der Türkei wegen regierungskritischer Berichterstattung, Spionage und Terrorunterstützung zu mehr als 27 Jahren Haft verurteilt und lebt in Berlin im Exil: "Anstatt die türkische Demokratie zu verbessern, hat er sich dafür entschieden, die Türkei in eine Art autoritäres Regime zu verwandeln", sagte Dündar kürzlich in einem Interview mit dem Funk-Format Atlas.

Zuletzt wurde der türkischen Regierung vorgeworfen, die Kontrolle in den sozialen Medien ausweiten zu wollen. Die Opposition fürchtet, dass das sogenannte Desinformationsgesetz zu strengerer Zensur im Internet führt. Das türkische Parlament wird voraussichtlich in den nächsten Wochen über den Gesetzesentwurf abstimmen.

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