Bundeswehrstärkung? Atomare Aufrüstung? Reaktionen auf Trump

Aktuelle Stunde 13.02.2024 UT Verfügbar bis 13.02.2026 WDR Von Jan Hofer

Nach Trump-Aussage: Wie wahrscheinlich ist eine EU-Atombombe?

Stand: 13.02.2024, 18:44 Uhr

Die Aussage von US-Präsidentschaftkandidat Donald Trump, Nato-Partner unter bestimmten Bedingungen im Kriegsfall nicht beizustehen, hat die Diskussion um EU-Atomwaffen angestoßen. Wie wahrscheinlich ist eine europäische Atombombe?

Ein Wahlkampfauftritt des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump hat dafür gesorgt, dass in Europa wieder über Atomwaffen diskutiert wird. Bei der Veranstaltung am Wochenende war Trump mit der Aussage auf Stimmenfang gegangen, dass er NATO-Partner, die nicht genug in Verteidigung investierten, im Ernstfall nicht vor Russland beschützen würde. Er würde Russland "sogar dazu ermutigen, zu tun, was auch immer zur Hölle sie wollen".

Diese Infragestellung der NATO-Beistandspflicht hat eine Welle der Empörung von Washington über Brüssel bis nach Berlin ausgelöst. Angesichts dieser Äußerungen von Trump sei kein Verlass mehr auf den US-Atomwaffen-Schutzschirm für Europa, sagte die Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Katarina Barley (SPD) dem Berliner "Tagesspiegel".

Barley hält EU-Atombombe für Möglichkeit

Katharina Barley beim SPD-Bundesparteitag

Katharina Barley

Zur Frage, ob die EU eigene Atombomben brauche, antwortete Barley vor diesem Hintergrund: "Auf dem Weg zu einer europäischen Armee kann also auch das ein Thema werden." Die Sozialdemokratin sagte zugleich, es liege weiter im Interesse der Amerikaner, die nukleare Abschreckung für Europa maßgeblich bereitzustellen.

Auch Liviu Horovitz von der Stiftung Wissenschaft und Politik, der seit Jahren zu Sicherheitspolitik und nuklearer Abschreckung forscht, sieht das so. "Ich denke auch, dass sich die EU auf dem Weg hin zu einer europäischen Armee auch Gedanken über Atomwaffen machen muss", so Horovitz im Gespräch mit dem WDR. "Das bedeutet aber nicht, dass es wahrscheinlich ist, dass dies in den kommenden Monaten geschehen wird."

Christian Mölling, Leiter des Zentrums für Sicherheit und Verteidigung der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), hält diese Überlegung nicht für schnell umsetzbar. "Sie wird erst dann sinnvoll, wenn man nicht nur die technischen Voraussetzungen geklärt hat, sondern vor allem die politischen Voraussetzungen für den Einsatz", sagt er dem WDR.

Bundeskanzler Scholz setzt auf transatlantische Partnerschaft

Ein weiterer Grund für die Einschätzung von Horovitz ist, dass die Aussage nicht vom US-Präsidenten kam, sondern von einem Kandidaten für das Amt. "Und selbst wenn Trump wieder Präsident wird, halte ich das Szenario, dass die USA die  erweiterte nukleare Abschreckung aufgibt, für sehr unwahrscheinlich", sagt Horovitz.

Ähnlich sieht das auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). "Wir haben eine funktionierende Nato, eine sehr gute transatlantische Partnerschaft. Dazu gehört auch das, was wir an nuklearer Zusammenarbeit entwickelt haben", sagte er am Montag auf einer Pressekonferenz mit dem polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk.

Frankreich will über europäische Abschreckung reden

Dieser hingegen hält es für sinnvoll, alle Möglichkeiten einer europäischen atomaren Lösung in Betracht zu ziehen - gerade mit Blick auf den Angriffskrieg Russlands in der Ukraine. "Es wäre also gut, alle Ideen und Projekte, die unsere Sicherheit auch in dieser Hinsicht stärken würden, sehr ernst zu nehmen", so Tusk.

Eine dieser Optionen sind die Angebote Frankreichs. Nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU ist das Land die einzig verbliebene Atommacht. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat Deutschland und anderen EU-Partnern bereits mehrfach Gespräche über Abschreckung angeboten. Konkret folgte daraus jedoch bislang nichts.

Zahl der Sprengköpfe entscheidend

Foto von Liviu Horovitz

Liviu Horovitz

"Wenn es eine Lösung gibt, wird diese nicht allein von Frankreich ausgehen, sondern muss am Ende von allen EU-Staaten getragen werden", sagt der Sicherheitswissenschaftler Horovitz. Schon weil die Zahl der nuklearen Sprengköpfe, über die Frankreich heute verfügt, nicht reiche, um andere Atomstaaten abzuschrecken, Bündnispartner anzugreifen.

Sollte Trump wirklich Präsident werden und seine Drohungen wahr machen, hält es Horovitz durchaus für möglich, dass es europäische Atomwaffen gibt. "In diesem Fall kann man sich vier Optionen vorstellen, aus denen die EU-Staaten wählen könnten", sagt er. Eine sei, dass die EU akzeptiere, dass sie keinen nuklearen Schutzschirm mehr habe. "Das ist aber gerade mit Blick in Richtung Russland sehr unwahrscheinlich", so Horovitz.

Gemeinsame Armee mit EU-Atomwaffen

Die zweite Möglichkeit sei, dass jeder Staat eigene Atomwaffen entwickle. Diese Dichte an Nuklearwaffen innerhalb der EU verschärfe dann allerdings die Sicherheitslage innerhalb Europas. Die dritte Option sei, dass ein EU-Staat die Rolle der USA übernehme.  

"All diese Optionen scheinen aber unwahrscheinlicher als die letzte Lösung", sagt Horovitz. "Die EU rauft sich zusammen und baut eine gemeinsame Armee inklusive Atomwaffen auf. Nur ist das alles zum heutigen Zeitpunkt reine Spekulation."

Unsere Quellen:

  • Nachrichtenagentur dpa
  • Interview mit Dr. Liviu Horovitz von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP)

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