Darum legt ein großer Streik die Republik nicht mehr lahm

Stand: 28.03.2023, 11:25 Uhr

Die Macht der Gewerkschaften bröckelt: Trotz großer Streik-Beteiligung waren die Auswirkungen auf den Verkehr beim Warnstreik am Montag gering. Mobilitätsforscher Knie sieht eine veränderte Berufswelt.

Die Republik lahmlegen - das war das große Ziel der Gewerkschaften mit ihrem Warnstreik am Montag. Doch die Strategie ging nicht auf. Das Berufsleben hat sich nachhaltig verändert. Der Mobilitätsforscher Andreas Knie ist sicher, dass große Streiks im öffentlichen Verkehr nur noch kleinere Auswirkungen haben werden.

Nur in vier von 27 größeren Städten und Regionen lag die Fahrzeit höher als an normalen Tagen, so die Verkehrszählung von TomTom. "Die Menschen können sich auf solche Situationen einstellen." Wegen der größeren Flexibilität der Beschäftigten im Berufsleben entfalteten Streiks "nicht mehr die Wirkung wie noch in den 70er, 80er und 90er Jahren", sagte der Experte vom Wissenschaftszentrum Berlin bei WDR 5. "Das was wir früher hatten, wo wirklich die Republik stillsteht, das wird es so nicht mehr geben", so Knie. "Vielleicht müssen die Gewerkschaften an ihrer Kampf-Strategie arbeiten."

Dass das befürchtete Verkehrschaos auf den Straßen am Montag ausblieb, habe die Wissenschaft "nicht überrascht", sagte Knie. Etwa 40 Prozent aller Beschäftigten quer durch alle Branchen fahren inzwischen an etwa 2,5 Tagen nicht mehr ins Büro. Die Menschen seien also schon vor dem Streik der Gewerkschaften flexibel gewesen.

Knie: "Corona hat gezeigt, dass es auch anders geht"

"Müde" sei die "Pendlergesellschaft" vor allem in NRW, so der Forscher. Corona habe gezeigt, dass es auch anders gehe. Auch die Arbeitgeber hätten gelernt, dass sie keine Verluste hätten, wenn die Menschen teils im Homeoffice arbeiteten. "Das neue Normale wird tatsächlich auch für die nächsten Jahrzehnte prägend sein", sagte Knie. "Die Menschen haben mehr Optionen. Es gibt Fahrgemeinschaften mit digitalen Möglichkeiten zum Vernetzen. In der Summe sind wir alle flexibler geworden."

Prekär Beschäftigte haben die Home-Office-Option oft nicht

"Wir werden die alte Pendlergesellschaft mit diesen riesigen langen Kilometerzahlen nicht mehr zurückbekommen." Flexibel seien die Menschen aber nur in den mittleren und höheren Einkommen, "während die prekär Beschäftigten weniger Optionen haben", schränkte Knie ein.