Bundespräsident Steinmeier ist in Kiew - warum gerade jetzt?

Stand: 25.10.2022, 17:36 Uhr

Von Raketenalarm begleitet hat Bundespräsident Steinmeier erstmals die Ukraine besucht, seit das Land von Russland angegriffen wird. Warum diese Reise besonders ist und was im Vorfeld für Diskussionen gesorgt hat.

Was ist der Grund dieser Reise?

Frank-Walter Steinmeier wollte den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyi treffen und sich ein Bild von den Zerstörungen in der Ukraine machen. Die beiden wollen nach Angaben des Bundespräsidialamts auch einen gemeinsamen Appell an deutsche Städte und Gemeinden richten: Sie wollen anregen, schnell und kurzfristig neue Partnerschaften mit ukrainischen Kommunen zu schließen, um den Menschen dort über den Winter zu helfen.

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In der Ukraine ist durch die russischen Angriffe ein großer Teil der Infrastruktur zerstört worden - deshalb haben die Menschen in vielen Regionen keinen oder nur stundenweise Strom.

Parallel zum Besuch des Bundespräsidenten findet in Berlin eine Wiederaufbaukonferenz für die Ukraine statt. Politiker, Fachleute und Vertreter von internationalen Organisationen sprechen mit Bundeskanzler Scholz und EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen darüber, wie der Ukraine schnell geholfen werden kann.

Warum findet die Reise ausgerechnet jetzt statt?

Russland greift seit Tagen auch Kiew wieder mit Raketen und Drohnen an. Steinmeier wollte eigentlich schon vergangene Woche in die Ukraine fahren, die Reise wurde wegen Sicherheitsbedenken aber kurz vorher abgesagt.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sitzt im Zug von Przemysl nach Kiew im Salonwagen und arbeitet in seinen Unterlagen.

Steinmeier vor Unterlagen im Zug von Przemysl nach Kiew

Zuständig für den Schutz des Bundespräsidenten ist das Bundeskriminalamt. Das schrieb auf Twitter, es habe "angesichts der aktuellen Gefahrenlage empfohlen, die geplante Reise des Bundespräsidenten Steinmeier in die Ukraine zu verschieben".

Steinmeier selbst hat bei seiner Ankunft in Kiew am Mittwochmorgen gesagt, es sei ihm wichtig, gerade jetzt in dieser Phase der Luftangriffe mit Drohnen, Marschflugkörpern und Raketen ein Zeichen der Solidarität an die Ukrainerinnen und Ukrainer zu senden.

Warum musste Steinmeier in einen Bunker fliehen?

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier spricht nahe des Dorfs Jahidne mit Augenzeuginnen und Augenzeugen, die im Keller einer Schule als Geiseln gehalten wurden.

Steinmeier im Luftschutzbunker

Nach seinem Besuch in Kiew reiste der Bundespräsident in die nordukrainische Stadt Korjukiwka nahe der belarussischen Grenze. Dort wurde Raketenalarm ausgelöst, Steinmeier musste, wie viele andere Menschen dort auch, Schutz in einem Luftschutzbunker suchen.

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Eineinhalb Stunden verbrachte der Bundespräsident nach eigener Aussage in dem Bunker mit dort lebenden Menschen und ließ sich von ihnen ihre berührenden Geschichten erzählen. Steinmeier appellierte auch an die Bevölkerung Deutschlands, nicht zu vergessen, was der Krieg für die Ukrainer bedeutet und ihn "einen Moment lang durch die Augen der Ukrainer" zu sehen.

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Warum war Steinmeier nicht schon früher in Kiew?

Eigentlich wollte der Bundespräsident schon Mitte April nach Kiew reisen, um den ukrainischen Präsidenten zu treffen, zusammen mit den Staatspräsidenten von Polen, Lettland, Litauen und Estland. Um diese Reise gab es allerdings ein ziemliches Hin- und Her: Kurz vor dem Start kam aus Kiew eine Absage für Steinmeier.

Sein Besuch war damals, wie er später selbst sagte, in Kiew "nicht gewünscht". Der damalige ukrainische Botschafter Andrij Melnyk warf Steinmeier vor, als Außenminister eine Politik von "100 Prozent Russland first" verfolgt zu haben. Vielen deutschen Politikern ging die Ausladung zu weit, auch Bundeskanzler Olaf Scholz.

In Berlin wurde die Ausladung als beispielloser diplomatischer und politischer Affront angesehen. Auch Scholz weigerte sich danach erst einmal, nach Kiew zu reisen und wurde dafür von Melnyk als "beleidigte Leberwurst" bezeichnet.

Erst Wochen später im Mai telefonierten Steinmeier und Selenskyi - und das entspannte die Situation wieder. Das Bundespräsidialamt gab nach dem Gespräch bekannt, dass "Irritationen der Vergangenheit ausgeräumt" worden seien.

Nun also hat es geklappt. Der Bundespräsident setzt damit ein Zeichen angesichts der russischen Angriffe auf die Energieversorgung der Ukraine kurz vor dem Winter. Außerdem plant Steinmeier für Freitag eine Rede. Titel: "Alles stärken, was uns verbindet."

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