Der Schwimm-Weltverband World Aquatics führt beim Weltcup, der im Oktober in Berlin stattfindet, als erster großer Sportverband der Welt Wettbewerbe in der "offenen Kategorie" ein. In dieser können auch Transgender-Athletinnen und Athleten teilnehmen. "Dieses bahnbrechende Pilotprojekt unterstreicht das unerschütterliche Engagement der Organisation für Inklusion, die Schwimmer aller Geschlechter und Geschlechtsidentitäten willkommen heißt", teilte der Verband mit. "Berlin ist Deutschlands Drehscheibe für Vielfalt und Inklusion und damit der perfekte Ort für ein solch fortschrittliches Projekt", sagte der Vizepräsident des Deutschen Schwimm-Verbandes, Kai Morgenroth.
Noch im vergangenen Jahr hatte der Weltverband Transgender-Schwimmerinnen von den Frauen-Rennen bei Großveranstaltungen wie Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften ausgeschlossen. Ausnahmen sind nur noch gestattet, wenn die Geschlechtsanpassung bereits vor dem zwölften Lebensjahr vollzogen wurde. Nachdem viel Kritik an dieser Regelung laut wurde, versprach der Verband, eine offene Kategorie für alle Schwimmerinnen und Schwimmer einzuführen.
Offene Kategorie: Beim Weltcup, aber nicht bei Olympia
Die offene Kategorie beim Berliner Weltcup wird es bei 50- und 100-Meter-Rennen in allen Schwimmarten geben. Weitere Wettbewerbe könnten hinzugefügt werden. Beim Deutschen Schwimmverband DSV blickt man gespannt auf den Wettbewerb im Herbst. "Das ist ein erster Schritt, bei dem es für alle Beteiligten darum geht, Erfahrungen zu sammeln", sagte ein Verbandssprecher dem WDR. Derzeit sei nicht absehbar, wie viele Sportlerinnen und Sportler sich bei den Wettbewerben in der offenen Kategorie anmelden wollen. Theoretisch können sich Athletinnen und Athleten aus der ganzen Welt bewerben, so lange sie einem nationalen Verband angehören.
Wie genau die sportlichen Voraussetzungen für die Teilnahme aussehen werden, steht noch nicht fest. Die genauen Melderegularien würden derzeit noch erarbeitet, so der Sprecher. Klar sei allerdings schon jetzt: "Wir reden hier vom Leistungssport, da wird ein bestimmtes Niveau vorausgesetzt." Beim Weltcup in Berlin können die teilnehmenden Sportlerinnen und Sportler die Qualifikationsnormen für die Olympischen Spielen 2024 erfüllen. Allerdings gilt dies nur für Teilnehmende in den Männer- und Frauen-Kategorien. Eine offene Kategorie wird es bei den Spielen in Paris nicht geben.
Ist Sonderkategorie ein "Rückschritt im Kampf für Akzeptanz"?
Beim Lesben- und Schwulenverband (LSVD) stoßen die Pläne auf massive Kritik. "Uns verwundert es, dass die Schaffung einer Sonderkategorie als Inklusionserfolg verkauft wird", sagte Mara Geri aus dem LSVD-Bundesvorstand. Transpersonen in eine eigene Kategorie zu "zwingen", sei vielmehr "ein Rückschritt im Kampf für die Akzeptanz und Gleichberechtigung". Inklusion hieße vor allem, dazuzugehören und nicht separiert zu werden.
Zudem befürchtet der Verband, dass Transsportler nun zu einem öffentlichen Outing gezwungen würden. Dies stelle mit Blick auf die anstehende Schwimm-WM 2024 in Katar "eine massive Gefahr dar", so Geri: "Human Rights Watch hat in der Vergangenheit auf diverse Fälle von Misshandlung und Gewalt gegen queere Menschen durch den Staat Katar hingewiesen."
US-Schwimmerin startete bis 2019 als Mann
Die Diskussion um die Teilnahme von Trans-Personen an Schwimmwettbewerben hatte zuletzt durch die US-Amerikanerin Lia Thomas an Intensität zugenommen. Thomas schwamm bis 2019 als Mann, unterzog sich dann einer Hormontherapie und gewann im März 2022 als erste Trans-Schwimmerin einen Titel bei College-Meisterschaften. Der Wettkampf wurde von Protesten und Gegenprotesten begleitet. Auch Politiker mischten sich in die Diskussion ein. So erklärte Floridas Gouverneur Ron DeSantis die zweitplatzierte Emma Weyant in einem offiziellen, aber rechtlich nicht wirksamen Schreiben zur "rechtmäßigen Gewinnerin" und bezeichnete Thomas' Sieg als "Betrug".
Im Schach und Radsport werden Transfrauen ausgeschlossen
In anderen Sportverbänden tut man sich offenbar schwerer in der Diskussion um die Integration von Trans-Personen. So hat der Internationale Schachverband Fide am Montag bekannt gegeben, dass Transfrauen von seinen offiziellen Damenturnieren ausgeschlossen würden. Der Verband erhalte eigenen Angaben zufolge zunehmend Anträge von Personen, die sich als Transgender identifizierten. Ausnahmen seien in Einzelfällen zwar möglich, allerdings könne die Überprüfung bis zu zwei Jahre dauern, teilte die Fide mit. Die trans Schachspielerin Yosha Iglesias, die in den Fide-Listen als "Master" geführt wird, kritisierte die Entscheidung. "Am I woman enough?" (Bin ich Frau genug?), fragte sie auf Twitter.
Der Internationale Radsportverband UCI entschied im vergangenen Monat, dass Transsportlerinnen, die eine männliche Pubertät durchlaufen haben, nicht mehr an Frauenrennen teilnehmen dürfen.
Mit Material der Agenturen SID, AP und dpa.