Ziellos nach dem Schulabschluss

Stand: 11.05.2022, 13:41 Uhr

Über 100.000 Zehntklässlerinnen und Zehntklässler in NRW haben ihre Abschlussprüfungen gestartet. Und danach? Vielen hat während der Pandemie die Orientierung gefehlt. Sie arbeiten deshalb auf das Abitur hin - mit Folgen für viele Ausbildungsbetriebe.

Die Hauptschülerinnen und -schüler der Konrad-von-der-Mark-Schule in Dortmund sind zuversichtlich, dass sie den Abschluss schaffen - trotz Herausforderungen durch Homeschooling in der Pandemie. Denn sie hatten Glück: Kurz vor der Pandemie konnten alle noch mit einem iPad ausgestattet werden. So fiel das Homeschooling leichter. Viele Schülerinnen und Schüler haben jetzt sogar die Aussicht auf einen Realschulabschluss mit Qualifikation.

"Die Noten haben gelitten"

Doch nicht überall hat der Distanzunterricht so gut geklappt. An anderen Hauptschulen, zum Beispiel in Hamm, berichten Lehrkräfte davon, dass die Noten bei einigen gelitten hätten. Martina Klöcker vom Verband Bildung und Erziehung (VBE) sagt, dass an Hauptschulen viele Kinder besonders viel Unterstützung bräuchten.

"Wenn die Schule nicht gut ausgestattet ist, sei es mit Lehrkräften oder digital, dann ist das für Kinder ein massiver Verlust und sie hinken mit ihrer Lernleistung hinterher." Martina Klöcker, Verband Bildung und Erziehung (VBE)

Auch Schul- und Bildungsministerin Yvonne Gebauer (FDP) weiß um die erschwerten Corona-Bedingungen und wünscht den Prüflingen viel Erfolg.

"Hinter unseren Prüflingen liegen herausfordernde Zeiten, aber auch dieses Jahr haben wir sichergestellt, dass alle Teilnehmenden in NRW unter fairen Bedingungen ihre Prüfungen ablegen." Yvonne Gebauer, Schul- und Bildungsministerin

Heißt konkret: In Mathe und Englisch hätten die Prüflinge dieses Mal mehr Aufgaben zur Auswahl - und in Deutsch sei der Prüfungsstoff vorher stärker eingegrenzt worden, so das NRW-Schulministerium.

Und danach? Ziele für das Leben fehlen!

Eine aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung zeigt: 44 Prozent der 14- bis 20-Jährigen planen gerade eine Ausbildung, 41 Prozent sind noch unentschieden. Außerdem versuchen es viele Absolventen im Anschluss doch noch mit dem Abitur. Das liegt, nach Angaben von Lehrer Marcel Werner aus Erftstadt, vor allem auch daran, dass es in den letzten zwei Jahren schwierig gewesen sei, sich vernünftig über eine Ausbildung zu informieren.

"Sie konnten keine Ziele fürs Leben festlegen und die ganzen Praktika und Ähnliches, was den Schülern geholfen hätte, sind alle hinten runtergefallen oder haben nur in abgespeckter Form stattgefunden." Marcel Werner, Lehrer aus Erftstadt

Und dann sei das Abitur die naheliegendste Lösung. Ähnlich sieht das auch Clemens Wieland, Ausbildungsexperte der Bertelsmann-Stiftung. Er sagt, dass den Schülerinnen und Schülern während Corona die Orientierung gefehlt habe. Die sei aber sehr wichtig, um zu wissen, was man überhaupt machen wolle.

Das alles hat die Konsequenz, dass die Ausbildungsstellen, die frei sind, oft keiner möchte oder man, je nach Ausbildung, für die Bewerbung ein Fachabitur braucht. So bleiben am Ende in NRW knapp 10 Prozent der Stellen unbesetzt - und fast 15 Prozent der Bewerberinnen und Bewerber gehen leer aus.