Arzt Dr. Johann Spittler mit seinen Anwälten beim Prozessauftakt zu Sterbehilfe am Essener Landgericht am 12.12.2023

Landgericht Essen: Urteil im Prozess um Sterbehilfe

Stand: 01.02.2024, 16:09 Uhr

Nach einer umstrittenen Sterbehilfe hat das Landgericht Essen einen Arzt wegen Totschlags zu drei Jahren Haft verurteilt. Der 81 Jahre alte Mediziner aus Datteln hatte einem sterbewilligen Patienten das tödliche Medikament gegeben, mit dem dieser sich dann umbrachte.

Laut Urteil hatte der Arzt aber vorher nicht ausreichend geprüft, ob der 42-jährige Mann zu einer freien, verantwortlichen Entscheidung in der Lage war. Tatsächlich litt der Patient laut Gericht an einer akuten Schizophrenie und einer Depression. Dadurch sei seine Entscheidungsfreiheit eingeschränkt gewesen. Der Arzt hätte ihm deshalb keine Sterbehilfe leisten dürfen.

Dr. Johann Spittler gehört zu den bekanntesten Ärzten in Deutschland, die sich mit dem Thema Sterbehilfe beschäftigen. "Eigentätige Lebensbeendigung und Suizid-Beihilfe" steht als ein Themen-Schwerpunkt auf seiner Homepage.

Arzt hatte Fall nicht genug geprüft

Ärztliche Beihilfe zum Selbstmord ist jedoch nur dann erlaubt, wenn bei dem Patienten die "Freiveranwortlichkeit" sichergestellt ist, er also frei verantwortlich selbst entscheiden kann.

Das war im Fall des Dorsteners aber nicht der Fall gewesen. Johann Spittler soll sich im Wesentlichen auf die Äußerungen seines Patienten verlassen und Berichte von anderen Ärzten nicht ausreichend genug gelesen haben.

Arzt: Keine leichtfertige Entscheidung

Der Angeklagte nahm zum Prozessauftakt beim Landgericht Essen ausführlich Stellung zu den Vorwürfen. Spittler sprach über eine Stunde im Gerichtssaal und schilderte seine Sicht der Dinge. Demnach habe er sich intensivst mit dem Fall beschäftigt und sei nicht leichtfertig zu der Entscheidung gekommen, Sterbehilfe zu leisten.

Anfang 2020 sei der Patient mit dem Sterbewunsch auf ihn zugekommen, weil er aufgrund schwerer Erkrankungen keine Lebensperspektive mehr gesehen habe. Er soll wegen einer Augenerkrankung um seine Sehfähigkeit gebangt haben. Auch depressive und schizophrene Zustände hätten sein Leben massiv eingeschränkt. Über Monate soll es Gespräche gegeben haben.

Freiverantwortlichkeit sei nicht gegeben gewesen

Schließlich kam es im Sommer 2020 dazu, dass der Arzt dem Patienten einen venösen Zugang legte, woran er eine Flüssigkeit mit einem tödlichen Medikament anschloss. Der 42-Jährige soll dann - wie bei der ärztlichen Sterbehilfe vorgeschrieben - selbst das Ventil geöffnet haben. Kurz darauf starb er.

Das Problem: Durch seine psychischen Erkrankungen sei er nicht in der Lage gewesen, seinen Zustand richtig zu beurteilen. Auch seine Augenkrankheit soll nicht so gravierend gewesen sein, wie der Patient selbst annahm, was Unterlagen belegen würden. Die "Freiverantwortlichkeit" sei in diesem Fall nicht gegeben gewesen.

Arzt nicht zum ersten Mal vor Gericht

Für Dr. Johann Spittler war es nicht der erste Prozess dieser Art: Er stand bereits wegen eines Falles aus dem Jahr 2012 in Hamburg vor Gericht, wurde damals aber freigesprochen.

Unsere Quellen:

  • WDR-Gerichtsreporter vor Ort
  • Landgericht Essen
  • AFP

Über dieses Thema berichten wir am 01.02.2024 im Radio in der WDR 2 und im WDR Fernsehen in der Lokalzeit Ruhr.