Nach acht Monaten ist im Prozess um gestreckte Krebsmedikamente eines Bottroper Apothekers das Urteil gefallen. Peter S. muss für zwölf Jahre ins Gefängnis und darf nie mehr als Apotheker arbeiten. Er soll Chemotherapien mit zu wenig oder gar keinem Wirkstoff hergestellt und die Krankenkassen bei den Abrechnungen um 53 Millionen Euro betrogen haben. Über 3700 Patienten sollen betroffen sein.
Staatsanwalt fordert dreizehneinhalb Jahre Haft
Der Staatsanwalt hatte eine Haftstrafe von 13 Jahren und sechs Monaten gefordert. Für die Kammer gilt es als erwiesen, dass der Apotheker in über 14.000 Fällen gegen das Arzneimittelgesetz verstoßen hat. Außerdem werden 17 Millionen Euro seines Guthabens wegen Betruges an den Krankenkassen eingezogen.
Kaum Mehrwert für die Opfer
50 Nebenkläger, Krebspatienten und Angehörige waren zugelassen. Für sie bleiben die wichtigen Fragen ungeklärt: Im Verfahren konnte nicht ermittelt werden, wie Peter S. die Wirkstoffe in den individuellen Krebstherapien tatsächlich verteilt hat.
Für Heike Benedetti, die als Brustkrebspatientin Medikamente aus der Bottroper Apotheke bekommen hatte, ist das Schlimmste, dass sie immer noch nicht weiß, was wirklich in ihrer Therapie enthalten war. "Er hat mit uns russisches Roulette gespielt", sagte sie gegen Ende des Verfahrens.
Der Apotheker zeigte keine Regung
Während des gesamten Verfahrens hatte Peter S. geschwiegen und kaum eine Miene verzogen. Selbst als über sein Intimleben gesprochen wurde oder er mit anhören musste, wie sehr die Patienten unter der Ungewissheit leiden. Auch durch seine Verteidiger hat er keine Stellungnahme verkünden lassen. Auch bei Verkündigung des Urteils zeigte er keine Regung.
Angeklagter trotz Hirnschaden schuldfähig
Die Anwälte von Peter S. hatten versucht, die Vorwürfe zu entkräften. Ein Gutachter hatte die Analysen der beschlagnahmten Medikamente angezweifelt. Außerdem soll Peter S. durch einen Hirnschaden, den er 2008 bei einem Unfall erlitten habe, vermindert schuldfähig gewesen sein - so die Verteidigung.
Der Gutachter des Landgerichts bestätigte zwar den Hirnschaden, für ihn hatte der aber keine Auswirkungen auf die Arbeit des Apothekers. Peter S. sei voll leistungsfähig gewesen und damit auch schuldfähig.
Strengere Kontrollen für Apotheken gefordert
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz hat sich nach dem Urteil für strengere Kontrollen in Apotheken ausgesprochen. Es müsse eine umfassende Überwachung für die 330 Schwerpunktapotheken in Deutschland geben, forderte Vorstand Eugen Brysch am Freitag (06.07.2018) in Dortmund.
Bis zu vier Mal im Jahr sollten sie unangekündigt überprüft werden. Um mögliche Beweise zu sichern, müsse man nicht verbrauchte Krebsmedikamente zentral aufbewahren und mit den verschriebenen Wirkstoffmengen abgleichen.