Rückkehr der BVB-Hooligans in den Signal-Iduna-Park

Stand: 27.10.2022, 14:58 Uhr

Dortmunder Hooligans haben im Stadion des BVB ein Gewaltmonopol aufgebaut. Es gibt dagegen kaum Widerstand aus der Fan-Szene, große BVB-Fanbündnisse wollen sich dazu nicht äußern. Auch vom Verein gibt es kaum Informationen.

Von Christof Voigt

So offen haben sich Dortmunder Hooligans seit Jahren nicht präsentiert. Am 17. September führen einige von ihnen gemeinsam mit Mitgliedern der beiden Dortmunder Ultragruppierungen "The Unity" und "Desperados" den wichtigsten Fanmarsch der Saison an. Als es in der Innenstadt Richtung Stadion losgeht, schreien tausende BVB-Fans "Haut drauf Kameraden, haut drauf, haut drauf". Im Signal-Iduna-Park steht an diesem Tag das Derby gegen den FC Schalke 04 an.

Bei so einem Fanmarsch ganz vorne zu laufen hat einen hohen symbolischen Wert. Das bestätigt uns auch Robert Claus. Der Fanforscher hat den BVB bis 2019 in Fanbelangen beraten und kennt auch die Dortmunder Hooligan-Szene gut. Für Claus bedeutet ihre führende Teilnahme: „Dass der rechtsextreme Teil der Hooliganszene geduldet wird und es auch geduldet wird, dass diese Hools die Fanszene nach außen repräsentieren.“

Fanforscher: Rechtsextreme beeinflussen Hooliganszene

Zwar seien nicht alle Hooligans rechtsextrem, aber es gibt personelle Überschneidungen. „Der Einfluss von Rechtsextremen in der Dortmunder Hooligan-Szene ist sehr, sehr groß“, sagt Claus. Wie eng die Kontakte zwischen rechtsextremer Szene und Hooligan-Szene in Dortmund sind, war schon im vergangenen Jahr zu sehen. Auf einem Trauermarsch für den verstorbenen Neonazi Siegfried Borchardt. Der Rechtsextremist gilt unter Hooligans bundesweit als Legende, entsprechend groß war der Trauerkranz samt Trauerflor mit der Aufschrift „Hooligans Dortmund“.

Und genau wegen dieser offensichtlichen Verbindung waren Hooligans in großen Teilen der Dortmunder Fan-Szene und auf der Südtribüne lange Zeit mehr oder weniger geächtet, hatten dort kaum Einfluss. Das hat sich nach der coronabedingten Zuschauerpause in der Bundesliga geändert.

Hooligans treten offen im Stadion auf

Fahne der Hooligans Dortmund (Screenshot: Südtribüne Dortmund)

Fahne der Hooligans Dortmund (Screenshot: Südtribüne Dortmund)

Dortmunder Hooligans mischen nicht mehr nur außerhalb des Stadions mit. Auch im Stadion sind sie mittlerweile wieder präsent, auch hier gut sichtbar. Mit einer eigenen Fahne im Block. Rechte Hooligans auf der Südtribüne. Wie kann das, bei all dem was der BVB seit Jahren gegen Rassismus und für Werte wie Toleranz unternimmt, sein?

Fanprojekt: Gruppe hat das Gewaltmonopol

Thilo Danielsmeyer vom Fan-Projekt Dortmund, der wichtigsten vereinsunabhängigen Anlaufstelle für BVB-Fans in Dortmund, sagt das sei für die Fan-Szene sicher nicht schön. „Aber das ist eine Gruppe, die auch das Gewaltmonopol hat und wenn die ihre Fahne präsentieren wollen, dann setzen die das durch. Da ist der Verein gefordert, auch in Gesprächen mit seiner Fan-Szene, zu reagieren.“

Danielsmeyer ist seit Jahrzehnten in der BVB-Fan-Szene unterwegs und macht sich Sorgen: „Dass Leute, die Gewalt ausleben, auch im Fußball wieder mehr zu sagen haben könnten, das müssen wir genau beobachten.“

Keine aktuelle Stellungnahme vom BVB

Und wie geht Borussia Dortmunds damit um, dass eine Hooligangruppe im Signal-Iduna-Park mit Gewalt droht, ein "Gewaltmonopol" hat? Dass es offensichtlich keine Abgrenzung der Ultra-Szene von den Hooligans mehr gibt? Trotz wiederholter Anfrage bekommen wir dazu vom BVB keine Antwort. Telefonisch teilt der Verein mit, dass er bereits im vergangenen September auf eine Anfrage unserer Redaktion geantwortet habe. Aktuell habe man dazu keine Zeit.

Vor knapp einem Jahr hatte der BVB auf unsere Anfrage zur rechten Hooligangruppe "Northside" unter anderem geantwortet: „Auch wir haben davon erfahren, dass einzelne Mitglieder der Gruppe zuletzt im Stadion waren. (…) Vor diesem Hintergrund beobachtet der BVB die Aktivitäten sehr genau und mit Besorgnis. Bei Verstößen gegen die Stadionordnung werden wir konsequent einschreiten und den rechtlichen Rahmen ausschöpfen.“ (Quelle: Borussia Dortmund, am 18. November 2021)

Zur Entwicklung der vergangenen elf Monate äußert sich der Verein nicht, obwohl der Einfluss der Hooligans auf der Tribüne zu wachsen scheint. An den Ausschreitungen im Stadion beim Champions-League Heimspiel gegen Kopenhagen am 6. September 2022 etwa waren nach WDR-Informationen auch Dortmunder Ultras beteiligt.

Ultras haben sich auf Koexistenz mit Hooligans eingelassen

Fanforscher Robert Claus sagt, die Dortmunder Hooligan-Szene sei nicht sehr groß, er schätzt sie auf etwa 150 Personen, aber sie könne ein Machtmonopol in der gesamten Fan-Szene ausüben. "Das heißt Menschen unter Druck setzen, die ihnen politisch zuwider sind. Es gibt Ultras, die Gewalt eher fern stehen, es gibt aber auch einen gewaltaffinen Teil der Ultra-Szene. Letztendlich glaube ich, dass ein Großteil der Ultra-Szene gegen das Gewaltpotenzial aus dem Hooligan-Milieu nicht ankommt und sich auf eine Koexistenz eingelassen hat."

Claus betont, dass ein Großteil der BVB-Fans gegen Rechtsradikale oder –extreme und Hooligans sei. Viele Fans würden sich aber kaum trauen, etwas dagegen zu unternehmen.

Schulterzucken auch bei vielen Fans, mit denen wir rund ums Stadion sprechen. Vor dem Heimspiel gegen den VfB Stuttgart sagen alle, Gewalt hätte beim Fußball nichts zu suchen, manche haben die Hooligans bei Heimspielen noch nie wahrgenommen, andere sagen, Hooligans habe jeder Verein, das sei normal und in Ordnung, solange die sich nur unter sich "irgendwo auf dem Acker" prügeln würden. Einige sagen, das nehme Überhand, es sei viel in den Medien zu lesen und zu hören, da müsse der Verein etwas unternehmen.

Aber wir fragen auch bei der organisierten Fan-Szene nach, etwa dem Fan-Bündnis "Südtribüne Dortmund". Hier sind viele Fanklubs und die beiden Dortmunder Ultra-Gruppen organisiert, Betreiber der Internetseite des Bündnisses ist laut Impressum Oliver Ricken, Chef der größten Dortmunder Ultragruppe "The Unity". Aber auch von ihm bekommen wir keine Antworten. Weder auf die Frage nach der Beteiligung von Hooligans am Fanmarsch, Seite an Seite mit Mitgliedern seiner Ultragruppe, noch auf die Frage, ob und wenn ja, wie Hooligans Einfluss auf das Fan-Bündnis "Südtribüne Dortmund" nehmen.

Dortmunder Hools prügeln sich in Bochum

Die Dortmunder Hooligans sind gut vernetzt und pflegen enge Kontakte zu Gleichgesinnten aus Köln und Essen. In der Vergangenheit waren Dortmunder Hooligans auch an Ausschreitungen rund um Spiele von Rot-Weiss Essen oder dem 1. FC Köln beteiligt und umgekehrt. Etwa nach der Bundesligabegegnung zwischen dem VfL Bochum und dem BVB am 11. Dezember 2021. Da hatten sich Bochumer und Dortmunder Hooligans zur Schlägerei auf einem Parkplatz am Kemnader Stausee verabredet.

150 Bochumer waren da, die hatten an dem Tag sogar Unterstützung einer befreundeten Ultragruppe des FC Bayern München dabei. Und 130 Dortmunder, gemeinsam mit Leuten aus genannten Hooligan-Szenen. Die Dortmunder sollen diese "Begegnung" deutlich gewonnen haben.

Polizei beobachtet Entwicklung und plant Betretungsverbote

BVB-Anhänger stehen vor dem Signal Iduna Park

Eine Entwicklung, die auch die Dortmunder Polizei nach eigenen Angaben „intensiv“ beobachtet. Gegen die Hooligans im Signal-Iduna-Park könne sie wenig machen, solange die dort keine Straftaten verüben würden. Bislang sei ein Anstieg von „Gewaltstraftaten, ausgehend von diesem Personenverbund“ nicht feststellbar.

Vor dem nächsten Derby in Dortmund, am 05. November gegen den VfL Bochum, plant die Dortmunder Polizei jetzt sogar „die als gewaltbereit bekannten Anhänger der Vereine Borussia Dortmund, VfL Bochum, 1. FC Köln und Rot-Weiss Essen von einem Besuch des Spiels (…) abzuhalten.“ Und zwar mit Betretungsverboten, die sollen auch rund ums Dortmunder Stadion gelten. Ein entsprechendes Schreiben liegt der Redaktion vor.

Die Dortmunder Polizei kann dazu aber noch nicht viel sagen, es handele sich um „ein laufendes Verfahren inklusive Anhörung der Betroffenen.“ Die geplanten Betretungsverbote seien eine „präventive Maßnahme der Gefahrenreduzierung“. Den Hooligans solle so die Möglichkeit genommen werden, „aktiv auf Sicherheitsstörungen rund um das Spiel Einfluss zu nehmen.“