Entscheidung im Loveparade-Prozess

WDR aktuell 06.02.2019 01:39 Min. Verfügbar bis 30.12.2099 WDR

Loveparade-Prozess gegen sieben Angeklagte eingestellt

Stand: 06.02.2019, 13:52 Uhr

  • Loveparade-Prozess: Sieben Angeklagte stimmen Einstellung zu
  • Verfahren läuft gegen drei Angeklagte weiter
  • Teilweise Unverständnis bei Nebenklägern

Von Dominik Peters

Der Loveparade-Strafprozess ist am Mittwoch (06.02.2019) für sieben der zehn Angeklagten eingestellt worden. Das Duisburger Landgericht begründete seine Entscheidung mit der geringen Schuld der Angeklagten.

Für die sechs Mitarbeiter der Stadt und einen des Veranstalters Lopavent endet der Prozess damit nach 101 Verhandlungstagen ohne Urteil. Die Anklage hatte ihnen unter anderem fahrlässige Tötung und schwere Fehler bei der Planung des Events vorgeworfen.

Strafverteidiger: Einstellung bedeutet kein Schuldeingeständnis

Strafverteidiger Gerd-Ulrich Kapteina sagte, sein Mandant sei erleichtert. Er betonte, dass die Einstellung des Verfahrens – unter Annahme einer geringen Schuld – kein Schuldeingeständnis bedeute. 

Die geringe Schuld sei "rein hypothetisch". Sein Mandant habe die Einstellung akzeptiert, weil er wisse, "dass ein Freispruch allein aus zeitlichen Gründen nicht zu erreichen ist".

Ein Jahr Loveparade-Prozess: Das Gerichtsverfahren in Bildern

Der Tag des Prozessauftakts am 8. Dezember 2017 - mehr als sieben Jahre nach der Katastrophe. Vor allem für Hinterbliebene der Todesopfer und Überlebende war es ein quälend langes Warten. Der Prozess steht unter Zeitdruck: Wenn bis Ende Juli 2020 kein Urteil gegen die zehn Angeklagten ergeht, sind die Tatvorwürfe verjährt.

Der Gerichtssaal hat eine sehr spezielle Atmosphäre. Das Landgericht Duisburg ist in eine Düsseldorfer Messehalle umgezogen. Die Klimaanlage kühlt die anonyme Großraum-Stimmung noch zusätzlich herunter.

Für Pressevertreter sind 85 Plätze reserviert. Das Gericht hat mit vielen Zuschauern gerechnet und 234 Plätze für sie reserviert.

An fast allen Prozesstagen bleiben die meisten Zuschauer-Stühle im Gerichtssaal leer.

Nebenklägerin Gabi Müller (rechts im Bild) besucht regelmäßig die Prozesstermine. Ihr Sohn gehörte zu den 21 Todesopfern.

Bei den Zeugen-Aussagen von Überlebenden der Katastrophe werden im Gerichtssaal Videobilder und Fotos der Katastrophe gezeigt. Es sind berührende Berichte von Verletzten und Traumatisierten, die dem Gericht helfen sollen, das Ausmaß der Massenpanik zu verstehen. Die Frage, durch welche Entscheidungen das tödliche Gedränge möglich wurde, steht im Zentrum des Prozesses.

Adolf Sauerland war der erste prominente Zeuge im Verfahren. Der ehemalige Duisburger Oberbürgermeister von der CDU war 2012 per Bürgerentscheid abgewählt worden. Die Duisburger wiesen ihm damit die politische Verantwortung für die Katastrophe zu. Juristisch sieht die Staatsanwaltschaft bei ihm keine Schuld. In seiner Zeugenaussage verwies Sauerland darauf, dass er die Parade ja nicht geplant habe.

Der zweite "Promi-Zeuge". Rainer Schaller - Fitness-Unternehmer und Lopavent-Chef. Schaller erschien gut präpariert - beinahe auswendig gelernt wirkten manche seiner Sätze vor Gericht. Der Zeuge verlas ein Statement, in dem er sich bei Hinterbliebenen und Verletzten entschuldigte.

Der spanische Nebenkläger Paco Zapater (hier links im Bild neben dem Ex-FDP-Bundesinnenminister und Nebenklage-Anwalt Gerhart Baum), dessen Tochter Clara auf der Loveparade zu Tode kam, nahm Schaller seine Aussagen nicht ab - und bezeichnete Schaller als "una persona astuta", eine gerissene, verschlagene Person und einen Schauspieler.

Der Vorsitzende Richter Mario Plein führt meist mit großer Ruhe durch die Verhandlungen. Nur ganz selten einmal wird er emotional. Am 69. Prozesstag hielt der Jurist eine regelrechte "Wutrede". Anlass war ein Protestbrief von Nebenklägern an NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU). Sie fürchten eine Einstellung des Verfahrens. Plein sagte eine gründliche Aufarbeitung der Katastrophe zu.

Prozess geht für drei Angeklagte weiter

Damit läuft der Prozess nur noch gegen drei Angeklagte weiter. Auch ihnen hatten Gericht und Staatsanwaltschaft eine Einstellung des Verfahrens vorgeschlagen – unter Annahme einer mittleren Schuld – allerdings gegen eine Zahlung in Höhe von jeweils rund 10.000 Euro.

Diesen Vorschlag lehnten die Angeklagten, allesamt Mitarbeiter des Veranstalters Lopavent, ab. Sie bestehen auf ihr Recht, freigesprochen oder verurteilt zu werden. 

Eltern eines Opfers: Viele Fragen noch offen

06.02.2019, Düsseldorf: Stefanie (l) und Klaus-Peter Mogendorf, Nebenkläger im Loveparade-Prozess, warten auf den Prozessbeginn

Eltern und Nebenkläger Stefanie und Klaus-Peter Mogendorf

Nebenkläger und einige ihrer Anwälte verstehen das vorzeitige Prozess-Ende nicht. Etwa Klaus-Peter und Stefanie Mogendorf, die ihren Sohn bei dem Unglück 2010 verloren haben. Klaus-Peter Mogendorf verwies auf die vielen noch offenen Fragen: "Mit einzelnen Tätigkeiten der Angeklagten hat sich die Beweisaufnahme noch gar nicht beschäftigt."

Vorsitzender Richter: Verjährung spielt keine Rolle bei Entscheidung

Laut dem Vorsitzenden Richter, Mario Plein, gibt es aus juristischer Sicht gute Gründe für die Einstellung des Verfahrens. Die im Juli 2020 drohende Verjährung habe bei der Entscheidung keine Rolle gespielt. "Ich habe keine Angst davor, dass das Verfahren verjährt", so Plein, "weil wir uns überhaupt nichts vorzuwerfen haben".

"Wir sind noch nicht an einem Punkt, wo wir eine Schuld definitiv feststellen können", sagte er weiter. Gleichzeitig gab er sich optimistisch, was den Erkenntnisgewinn aus dem weiteren Verfahren angeht. Im weiteren Prozessverlauf will das Gericht laut Mario Plein "eine Vielzahl an Lopavent-Mitarbeitern" vernehmen und habe "noch ein paar Polizeibeamte vor der Brust".