Dinslaken: Staatsanwaltschaft ermittelt nach Tod einer Dreijährigen

Lokalzeit aus Duisburg 27.10.2023 Verfügbar bis 27.10.2025 WDR Von Michael Jung

Tote Dreijährige: Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Jugendamt Dinslaken

Stand: 27.10.2023, 19:33 Uhr

Nach dem Tod einer Dreijährigen in einem Keller in Dinslaken ermittelt die Staatsanwaltschaft nun auch gegen sieben Beschäftigte des städtischen Jugendamtes.

Von Michael Jung

Es gehe um den Verdacht der fahrlässigen Tötung, bestätigte der Duisburger Staatsanwalt Martin Mende dem WDR. Geprüft werde, ob das Dinslakener Jugendamt nach einem Hausbesuch in der Familie "die richtigen Schlüsse gezogen und die notwendigen Maßnahmen getroffen hat oder nicht".

Die Eltern des toten Kindes sitzen bereits in Untersuchungshaft. Gegen sie wird wegen gemeinschaftlichen Mordes aus niederen Gründen ermittelt. Der Haftbefehl gegen den Vater war zunächst auf gefährliche Körperverletzung und Freiheitsberaubung mit Todesfolge ausgestellt worden. Am Freitag erweiterte ihn eine Amtsrichterin in Dinslaken auf Mord.

Eltern hatten Kind tagelang in Keller gesperrt

Am 6. Oktober hatte sich der 40-jährige Vater bei der Polizei in Dinslaken gemeldet und erklärt, er habe die Leiche seines Kindes im Rhein-Herne-Kanal in Oberhausen versenkt. Polizeitaucher fanden kurz darauf das tote Mädchen an der bezeichneten Stelle.

Rhein-Herne-Kanal in Oberhausen

Rhein-Herne-Kanal in Oberhausen

Offenbar hatten die Eltern die Dreijährige vorher tagelang in den Keller eines Mehrfamilienhauses eingesperrt. Dort war sie laut Obduktion an erbrochenem Speisebrei erstickt.

Die Stadt hatte die Mutter und zwei weitere Kinder zunächst gemeinsam in einem Schutzhaus untergebracht und psychologisch betreuen lassen. Erst nach einigen Tagen nahmen Ermittler auch die 39-Jährige fest. Die Kinder kamen in eine Pflegefamilie. Dass nun auch gegen Beschäftigte des Jugendamtes ermittelt wird, teilte die Stadt selbst der Öffentlichkeit mit.

Kinder können bei Trennung traumatisiert werden

Es sei immer eine heikle Entscheidung, ob ein Kind aus der Familie genommen werde, sagt Martin Menzel. Er unterrichtet als Professor für Kinderschutz und Kinderrechte an der Fliedner-Hochschule in Düsseldorf: "Ich traumatisiere ein Kind, wenn ich es von seinen Bindungspersonen trenne und woanders unterbringe."

Deshalb müsse abgewogen werden, ob damit eine größere Schädigung des Kindes in seiner Familie verhindert werden könne. Oft müssten solche Entscheidungen unter großem Zeitdruck getroffen werden. Deshalb sehe das Gesetz vor, dass ein ganzes Team darüber berate.

Stand das Jugendamt Dinslaken unter finanziellem Druck?

Die Staatsanwaltschaft prüft auch, ob das Dinslakener Jugendamt von finanziellem Druck beeinflusst war. Denn noch im vergangenen Jahr hatte die Gemeindeprüfungsanstalt NRW kritisiert: "Die Stadt Dinslaken sollte (…) prüfen, warum so viele Fälle in der Heimerziehung untergebracht sind. Zudem sollte es das Ziel sein, (…) die Fälle in Heimunterbringung bestmöglich zu vermeiden und zu reduzieren." So steht es im GPA-Prüfbericht für das Jahr 2022.