Zu viel Kriminalität: Stadt räumt Kölner Obdachlosenprojekt OMZ

00:33 Min. Verfügbar bis 01.06.2025

Zu viel Kriminalität: Stadt räumt Kölner Obdachlosenprojekt OMZ

Stand: 01.06.2023, 09:51 Uhr

In Köln protestieren Bewohner und Unterstützer gegen die Räumung des Obdachlosenprojektes OMZ. Die Stadt will es nicht fortführen, weil es in dem Haus Gewalttaten und Zwangsprostitution gegeben haben soll.

Von Oliver Köhler

Die etwa 20 Männer und Frauen, die in dem Mehrfamilienhaus im Kölner Stadtteil Deutz wohnten, haben ihre Rucksäcke und Koffer gepackt. Ein Möbelwagen ist vorgefahren. Kartons stapeln sich auf der Ladefläche.

Behängt mit Taschen machen sich die aus Rumänien stammenden Brüder Eduard und Gerhard auf den Weg in ein Hotel, das die Stadt Köln für Obdachlose angemietet hat. "Ich verstehe nicht, warum wir hier weg müssen", sagt Eduard. "Wir wären lieber hiergeblieben, statt in ein Hotelzimmer zu ziehen. Aber Hotel ist besser als wieder auf der Straße zu landen."

Andreas, der mit seiner Freundin in dem Haus des Vereins "Obdachlose mit Zukunft" (OMZ) gelebt hat, will nun erstmal in ein Zelt ziehen. "Die Stadt Köln sagt, sie will uns Unterkünfte in einem neuen Obdachlosenprojekt vermitteln. Dafür sollen wir uns aber bewerben", berichtet er. "Die wollen so eine Art Casting machen und dann entscheiden, wer da mitmachen darf und wer nicht. Das sehe ich nicht ein. Das ist doch würdelos."

Sozialdezernent unterstützt Schließung

Menschen stehen vor einer großen, aufgeblasenen Hand

Mahnwache vor dem OMZ

Kölns Sozialdezernent Harald Rau ist am Mittwochvormittag zum OMZ gekommen und stellt sich den Diskussionen mit Bewohnern und Bewohnerinnen. Rau hat das Projekt beim Start vor drei Jahren unterstützt. "Wir mussten aber feststellen, dass die Gruppe der Bewohnenden nicht in der Lage war zu kontrollieren, wer in dem Haus unterkommt und wer nicht. So haben sich mafiöse Strukturen gebildet, vor denen sich die Gründer des Projektes nicht mehr schützen konnten", berichtet Rau. Es gab zahlreiche Polizeieinsätze wegen schwerwiegender Gewalttaten.

"Die Selbstverwaltung ist gescheitert."

Es habe Zwangsprostitution gegeben und einzelne Bewohner sollen von den anderen regelmäßig Schutzgeld, getarnt als Miete, eingetrieben haben. "Das konnten wir nicht mehr so weiterlaufen lassen", sagt Sozialdezernent Rau dem WDR. "Mitglieder der Gruppe waren schutzlos der Gewalt ausgesetzt. Die Selbstverwaltung ist gescheitert."

Stadt hätte eingreifen müssen

Zwei Männer stehen in einem Hausflur

Spike (links) mit Unterstützern

Der 27-jährige Spike hat ein halbes Jahr im OMZ gewohnt. "Die Gewalt war nicht mehr auszuhalten", sagt er. "Das war genauso schlimm wie auf der Straße. Wir haben die Stadt immer wieder gebeten, etwas zu unternehmen. Wir haben der Stadt aufgeschrieben, was passiert ist und wer dafür verantwortlich ist." Die Stadt habe aber ihr Hausrecht nicht genutzt, um die Leute rauszuwerfen, kritisiert er. "Jetzt tut der Sozialdezernent, als wäre es unsere Schuld, was hier vorgefallen ist.“ Sozialdezernent Harald Rau hat inzwischen eingeräumt, dass auch die Stadt Fehler gemacht hat.

Neues Obdachlosenprojekt ohne Selbstverwaltung geplant

Rau möchte die Idee des OMZ, Obdachlose in Wohngruppen unterzubringen und ihnen so einen Start in ein neues Leben zu ermöglichen, in einem neuen Projekt aufnehmen. "Allerdings soll es dort keine Selbstverwaltung geben, sondern ein Träger aus dem Bereich Obdachlosenhilfe soll das Projekt betreuen", sagt Rau. "Und wir wollen verhindern, dass Gewalttäter in dem neuen Projekt unterkommen".

Deshalb sollen sich jetzt Bewohner und Bewohnerinnen des OMZ für das neue Projekt bewerben. Bisher ist die Resonanz allerdings gering. Andreas, der jetzt lieber ins Zelt zieht, als sich zu bewerben, sagt, er traue der Stadt nicht: "Es ist ein Menschenrecht, in einer Wohnung zu leben. Warum sollen wir jetzt so ein Casting durchlaufen?"

Das OMZ als persönliche Erfolgsgeschichte

Für Spike waren Wohnen und Gemeinschaft im OMZ eine "phantastische Erfahrung". "Ich habe so viel Unterstützung und Hilfe bekommen, dass ich mein Leben wieder auf die Reihe bekomme. Ich mache wieder Musik und traue mir zu, wieder selbstständig zu leben." Nach zwei Jahren auf der Straße und in Obdachlosenprojekten wird der 27-jährige Spike schon in wenigen Wochen in eine eigene Wohnung ziehen. "Das habe ich dem OMZ zu verdanken."

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