Maden kommen aus der Decke

Lokalzeit aus Düsseldorf 04.08.2023 02:31 Min. Verfügbar bis 04.08.2025 WDR Von Raphael Boch

Nach unentdeckter Leiche: Nachbar kämpft mit tausenden Fliegen

Stand: 04.08.2023, 21:06 Uhr

In einem Mehrfamilienhaus in Mönchengladbach-Odenkirchen blieb die Leiche eines Nachbarn einige Tage unentdeckt. Die Nachbarn kämpfen jetzt mit Ungeziefer - und fühlen sich allein gelassen.

Von Martin Henning und Raphael Boch

Es sind Szenen wie aus einem Horrorfilm. Auf dem Boden, der Fensterbank, an den Treppenstufen - überall liegen sie herum: Tausende tote und sterbende Fliegen. Thomas Lünskens und seine Familie würden ihre Wohnung am liebsten gar nicht mehr betreten.

Thomas Lünskens im Zimmer seiner Tochter

Thomas Lünskens kämpft mit Paketband gegen die Tiere

Lünskens führt ins Kinderzimmer seiner Tochter. Die Ecken hat der Familienvater mit Paketband abgeklebt - damit die Maden und Fliegen nicht aus der Wand kommen können. Hinter dem Klebeband sieht man eine Ansammlung von Tieren. Am Boden ist der Leistenbereich mit Zeitungspapier abgedichtet, denn: "Sogar aus dem Fußboden kommen sie mittlerweile", erzählt Lünskens im Gespräch mit dem WDR.

Tiere kamen über Risse in die Wohnung

Seit zwei Wochen quält sich Familie Lünskens in ihrer zweistöckigen Eigentumswohnung mit Ungeziefer herum. Der Grund: Der Mieter der Dachgeschosswohnung über ihnen ist kürzlich verstorben. Die Leiche wurde erst Tage später entdeckt. Da hatte die Verwesung schon eingesetzt. Im Altbau konnten sich zunächst Maden, später Fliegen durch die Zwischendecke eine Ebene tiefer ihren Wag bahnen. Über Risse in der Wand kamen sie in die Wohnung der Lünskens.

"Wir können nicht mehr"

Maria Lünskens kehrt die toten Fliegen weg

Mehrmals täglich muss die Familie die Wohnung reinigen

Das Kinderzimmer der Tochter ist besonders betroffen, denn direkt darüber - in dessen Wohnzimmer - starb der Nachbar. Aber auch im Flur und im Bad liegen unzählige Fliegen herum. "Die ersten Tage haben wir praktisch acht bis zehn Stunden täglich die Tiere entfernt. Wenn wir unten im Flur waren, hat es oben wieder angefangen", erzählt Lünskens. Mittlerweile seien die Kräfte aufgebraucht, sagt der Familienvater. "Wir können nicht mehr." Man habe die Hausverwaltung kontaktiert - aber noch ohne Erfolg. "Wir haben es überall probiert. Nirgendwo bekommt man Hilfe."

Eigentümer muss selbst für Reinigung sorgen

Auf Anfrage des WDR teilt die Hausverwaltung mit, dass die Eigentümerin der Dachgeschosswohnung erst am Freitag eine Firma beauftragt hat, die den Fundort der Leiche reinigen soll. Die Eigentümerin sei bisher im Urlaub und nicht zu erreichen gewesen.

Was den Fall schwierig macht: "Herr Lünskens muss rechtlich gesehen selbst als Sondereigentümer für die Desinfektion seiner Wohnung sorgen und die Kosten bei der Verursacherin geltend machen", sagt die Hausverwaltung. Sie deutet an, dass Lünskens eine Mitschuld trage. Dieser habe Risse im Wandputz seiner Wohnung nicht reparieren lassen. Und genau durch diese Risse sei "der überwiegende Teil des Madenbefalls eingetreten".

Risse in der Zimmerwand von Familie Lünskens

Durch Risse wie diese kamen die Maden leicht in die Wohnung

Den betroffenen Familienvater macht die Stellungnahme sauer. "Die ganze Zwischendecke hängt wahrscheinlich voll von dem toten Mann. Und das kommt einfach immer wieder nach. Das ist eine Sisyphusarbeit", sagt er. "Und wenn ich jetzt hier unten jemanden reinigen lasse und da oben ist immer noch nicht aufgeräumt, dann kommt die ganze Suppe wieder. Das ist rausgeschmissenes Geld. Da oben muss was passieren."

Experten warnen vor Gesundheitsrisiken

Die Stadt teilt auf WDR-Anfrage mit, dass sie ihrerseits keinen Handlungsbedarf sehe. Schließlich gehe von den Tieren keine akute Gesundheitsgefahr aus.

Das sehen Reinigungsexperten anders. Sie warnen, dass Maden und Fliegen Krankheiten übertragen könnten. Rund um den Leichenfundort müssten alle Überreste des Verstorbenen gründlich durch einen Fachbetrieb entfernt werden. Sonst nehme die Fliegenplage so schnell kein Ende.