Altersarmut: Mit 72 Jahren wieder arbeiten gehen

Lokalzeit aus Aachen 04.04.2024 02:22 Min. Verfügbar bis 04.04.2026 WDR Von Stefanie Rhein

Caritas-Beratung bei Altersarmut: Mit 72 Jahren wieder arbeiten gehen

Stand: 05.04.2024, 13:09 Uhr

Inflation und gestiegene Lebensmittel- und Energiepreise machen vielen älteren Menschen zu schaffen: Immer mehr Seniorinnen und Senioren kehren zurück in ihren alten Job - auf Teilzeitbasis.

Von Stefanie Rhein

So auch Peter F. (Name geändert) aus Mechernich. In jungen Jahren hätte er sich nie vorstellen können, dass er nach einem langen Arbeitsleben nun in der Schuldnerberatung der Caritas Mechernich sitzt. Der 72-Jährige konnte durch eine längere Krankheit und Teilzeitarbeit nicht ausreichend Geld in die Rentenkasse einzahlen.

Im Rentenalter wieder im alten Job tätig

Jetzt arbeitet er wieder als Hausmeister bei seinem vorherigen Arbeitgeber. "Die Lebensmittel werden teurer, alles drumherum wird teurer. Ich mache das nicht aus Jux und Dollerei, sondern weil es einfach nötig ist", sagt Peter F.

Scham, es der Familie zu sagen

Seine Frau folgte dem klassischen Rollenmodell und zog drei Kinder groß. Jetzt leben sie zusammen von 2.125 Euro Rente. An Urlaub ist nicht zu denken, sie drehen jeden Euro zweimal um. Die Geldsorgen sind groß, doch fast genauso groß ist die Sorge, dass Freunde oder die Familienangehörige davon erfahren. "Ich spreche eigentlich nicht darüber, auch nicht innerhalb der Familie. Vielleicht schämt man sich auch einfach dafür."

So wie das Ehepaar aus Mechernich erfahren viele Menschen im Alter Armut. Andrea Zens von der Caritas in Mechernich erlebt es regelmäßig. Steigende Preise, wenig angepasste Renten - dann darf kein Auto und keine Waschmaschine kaputt gehen.

"Das Budget ist oft bereits fragil. Wenn dann noch eine zweite große Ausgabe dazu kommt, bricht alles zusammen. Dann kommen die Menschen nicht weiter" Andrea Zens, Caritas Mechernich

Andrea Zens arbeitet mit den Betroffenen an einer Lösung. Es sei wichtig, einen soliden Haushaltsplan aufzustellen, sagt sie. Die Schuldenberaterin zeigt auch, welche Transferleistungen es vom Staat geben kann. Oft scheuen sich die Menschen aber, diese Hilfen anzunehmen.

Experte sieht Ursache in Agenda 2010

Markus Baum aus Aachen ist Professor für Soziologie an der Katholischen Hochschule NRW. Er sieht nicht nur die Betroffenen selbst in der Verantwortung, auch die Politik. Eine Ursache der Altersarmut, die sich jetzt in der älteren Generation zeigt, sieht er auch in der Politik in den 2000er Jahren.

Damals war die Arbeitslosigkeit hoch. Knapp fünf Millionen Menschen waren zeitweise in Deutschland ohne Jobs. Die Agenda 2010 wird von manchen Experten als Erfolg gewertet: Die Arbeitslosenzahlen sind in Deutschland auf unter drei Millionen Menschen gesunken.

Teilzeitjobs rächen sich

Der Soziologe sieht diese Maßnahmen kritischer: "Die Agenda 2010 hat ein Problem geschaffen, das sich heute zeigt", so Markus Baum. "Menschen wurden in den 2000er Jahren zwar aus der Arbeitslosigkeit geholt. Doch viele von ihnen konnten nur in Teilzeitjobs arbeiten und damit nicht ausreichend in die Rentenkassen einzahlen."

Peter F. aus Mechernich ist dankbar für seinen Teilzeitjob und auch für die Beratung durch die Caritas in Mechernich. Beides ist eine große Hilfe auf dem Weg in eine bessere Zukunft. Der 72-Jährige wünscht sich vor allem eines: Dass er eines Tages einfach mit dem Arbeiten aufhören und sein Leben sorgenfrei genießen kann.

Unsere Quellen:

  • Reporterin vor Ort
  • Peter F., Betroffener
  • Andrea Zens, Caritas Mechernich
  • Prof. Markus Baum, Soziologe an der Katholischen Hochschule NRW