Bundespräsident Steinmeier wirbt um Zusammenhalt in der Krise

Stand: 28.10.2022, 19:17 Uhr

Bundespräsident Steinmeier hat die Menschen in Deutschland zum Zusammenhalt aufgerufen. Um gut durch die Krise zu kommen, seien vor allem Konfliktfähigkeit und Widerstandskraft nötig.

Angesichts der Herausforderungen im Zuge des russischen Kriegs gegen die Ukraine hat sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier an diesem Freitag an die Bevölkerung gewandt. Bei einer Veranstaltung mit der Deutschen Nationalstiftung in Berlin stimmte er die Menschen auf eine schwierige Zukunft ein und beschwor ihren Widerstandsgeist.

Steinmeier: "Epoche des Gegenwinds"

"Der 24. Feburar war ein Epochenbruch", so Steinmeier. "Wir erfahren die tiefste Krise, die das wiedervereinte Deutschland erlebt." Dies sei vor allem nach den guten Jahren davor umso drastischer zu spüren. Denn in den Jahren zuvor habe Deutschland Rückenwind gehabt, wirtschaftlich aber auch gesellschaftlich. "In dieser Zeit setzten wir darauf, dass Freiheit und Demokratie überall auf dem Vormarsch waren", so Steinmeier. Doch diese Jahre seien nun erst einmal vorbei.

"Die Friedensdividende ist aufgezehrt. Es beginnt für Deutschland eine Epoche im Gegenwind." Frank-Walter Steinmeier, Bundespräsident

Gleichzeitig betonte Steinmeier aber auch, dass Deutschland gut gewappnet sei, um diese schwierige Phase zu bewältigen. Denn Deutschland könne auf seine Kraft und Stärke bauen, die es sich in der Vergangenheit erarbeitet habe, so Steinmeier. Das Land sei wirtschaftlich stark, habe gute Forschung, starke Unternehmen, einen leistungsfähigen Staat sowie eine große und starke Mitte in seiner Gesellschaft.

Hilfe für die Ukraine

Auch deshalb sei es weiter wichtig, die Ukraine auf allen erdenklichen Wegen zu unterstützen - sowohl politisch als auch gesellschaftlich. Steinmeier dankte in diesem Zusammenhang den zahlreichen Menschen, die schon jetzt Flüchtlinge aufnehmen, Spenden sammeln und Hilfsprojekte koordinieren.

Um das weiter leisten zu können, sind nach Meinung des Bundespräsidenten vor allem zwei Eigenschaften nötig: Konfliktfähigkeit und Widerstandskraft. "Dass ein Land wie unseres in der Kritik steht, daran werden wir uns gewöhnen müssen", sagte Steinmeier. "Damit müssen wir erwachsen umgehen und nicht jede Kritik von außen umgehend als Munition in der innenpolitischen Auseinandersetzung missbrauchen."

Aber die Unterstützung für die Ukraine - beispielsweise durch Waffenlieferungen, obwohl Deutschland keine Kriegspartei ist, oder Sanktionen gegen Russland, die Deutschland selbst schaden - führe auch zu einer Zerreißprobe für die Bevölkerung. Doch diese Widersprüche müssten wir jetzt aushalten, so Steinmeier: "Diese neue Zeit fordert jeden Einzelnen."

Staat muss jeden Bürger unterstützen

Deshalb sei es auch wichtig, dass der Staat die Menschen mit dieser Aufgabe nicht alleine lasse. Er müsse dafür sorgen, dass die Lasten, die durch die Krise auf die Gesellschaft zukommen, gerecht verteilt werden. Er wünsche sich von der Gesellschaft, dass künftig nicht gefragt werde: "Wer kann mir die Last abnehmen?" Sondern vielmehr: "Hilft das, um gemeinsam durch die Krise zu kommen?"

Neben der Ukraine-Krise dürften aber andere Aufgaben nicht zurückgestellt werden, die dringlich angegangen werden müssten. Der Klimawandel mache keine Ukraine-Pause, so Steinmeier. Gerade bei diesem Thema sei wichtig, dass man die Generationen nicht gegeneinander ausspiele.

Politologe Korte: "Das war zu wenig"

Der Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte, der als Professor an der Universität Duisburg Essen tätig ist, beurteilte Steinmeiers Rede im WDR als "ausbaufähig". Er hörte "zu viel Diagnose" und bemängelte, dass der Bundespräsident nicht die Gelegenheit zum Mutmachen genutzt habe.

Angesicht der aktuellen Situation gehe es darum, "der Rettung eine Richtung zu geben". Welche das sein soll, sei jedoch ungewiss geblieben. Insgesamt habe Steinmeier einen "finsteren Eindruck" gemacht. Kortes Fazit: "Das war zu wenig."

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