Mutmaßlicher Täter nach Schüssen in Paris in Psychiatrie

Stand: 25.12.2022, 09:42 Uhr

Der 69-jährige Mann, der am Freitag in Paris drei Menschen erschossen haben soll, wurde in eine Psychiatrie eingewiesen. Frankreichs Justizminister lehnt weiter ab, die Tat als Terrorismus einzustufen. Was bisher bekannt ist.

Was genau ist passiert?

Die Schüsse fielen an einem kurdischen Kulturzentrum im zehnten Pariser Arrondissement in der Rue d'Enghien, einer belebten Straße mit Geschäften und Restaurants nahe dem Bahnhof Gare de l'Est. Der Stadtteilbürgermeisterin Alexandra Cordebard zufolge schoss ein Mann auch auf ein Restaurant und ein Friseursalon im gleichen Gebäude.

Die Schüsse trafen auch die Niederlassung des demokratischen kurdischen Rats in Frankreich (CDK-F), einem Dachverband von 24 kurdischen Vereinen. Die Organisation sprach von einer "terroristischen Attacke", zu der es nach zahlreichen türkischen Drohungen gekommen sei. Die Türkei bekämpft seit langem kurdische Unabhängigkeitsbestrebungen, die von der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und weiteren kurdischen Organisationen vorangetrieben werden.

Drei Menschen wurden getötet; der Sender France Info berichtete von fünf verletzten Polizisten und einer Festnahme. Bei den Toten handelt es sich nach Angaben einer kurdischen Vereinigung um kurdische Aktivisten, unter ihnen eine junge Frau und ein Musiker.

Frankreichs Justizminister Éric Dupond-Moretti lehnt weiter ab, die Tat als Terrorismus einzustufen. Der Rentner, der der Polizei bereits bekannt war, habe keiner ideologischen Vereinigung angehört.

Wer ist der mutmaßliche Täter?

Abgesperrte Straße in Paris mit Feuerwehrautos und Polizei

Der Tatort in Paris

Ein 69-jähriger Franzose, der selbst verletzt wurde, war von der Polizei festgenommen worden. Inzwischen wurde der mutmaßliche Täter aus gesundheitlichen Gründen aus dem Polizeigewahrsam entlassen und in die psychiatrische Krankenstation der Polizeipräfektur verlegt.

Der Mann ist wegen illegalen Waffenbesitzes und Gewaltverbrechen vorbestraft. Nach Angaben der Staatsanwältin Laure Beccuau ist der Mann erst vor Kurzem unter Justizaufsicht aus der Haft gekommen. Im Dezember 2021 soll er ein Zeltlager von Migranten angegriffen und mehrere Menschen verletzt haben.

Frankreichs Justizminister Éric Dupond-Moretti verteidigt, dass der Mann nach einem Jahr U-Haft freigelassen wurde. Das Gesetz über die Länge der U-Haft sei angewendet worden. Die zwölf Monate hätten nicht gereicht, den Prozess gegen ihn vorzubereiten.

Kennt man das Motiv?

Die französische Staatsanwaltschaft teilte mit, dass gegen den mutmaßlichen Täter mittlerweile auch wegen eines möglichen rassistischen Motivs ermittelt wird. Er hatte laut Ermittlerkreisen erklärt, Rassist zu sein.

Frankreichs Innenminister Gérald Darmanin hatte schon am Freitag erklärt: "Er wollte offensichtlich Ausländer angreifen". Ob der Mann wie auch immer politisch engagiert ist, sei unklar, ein rechter Hintergrund werde aber geprüft.

Bürgermeisterin Anne Hidalgo war sich da bereits sicher, dass die Schüsse die Tat eines Rechtsextremisten waren. "Die kurdische Gemeinschaft, und durch sie alle Pariser, wurden durch diese Morde, die von einem rechtsextremen Aktivisten begangen wurden, ins Visier genommen", schrieb Hidalgo am Freitag auf Twitter.

Frankreichs Justizminister Éric Dupond-Moretti lehnt weiter ab, die Tat als terroristisch einzustufen. Der Mann sei nach eigener Aussage Rassist, habe aber keiner ideologischen Vereinigung angehört.

Die Kurden im Visier?

Ob der mutmaßliche Täter explizit Kurden angreifen wollte, ist noch offen. Innenminister Darmanin erwähnte aber, dass sich im Januar der Dreifachmord an kurdischen Aktivistinnen zum zehnten Mal jährt. Für die Kurden in Paris ist die Sache klar: "Es waren Kurden, die ins Visier genommen wurden", ist sich Juan-Golan Eliberg sicher, ein Künstler, der im kurdischen Kulturzentrum arbeitet. Das in Berlin ansässige Kurdische Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit, das nach eigenen Angaben Kontakt zu dem Pariser Kurdenzentrum hat, erklärte, in Paris gehe man von einem "gezielten Angriff auf die kurdische Community" aus. 

Brennende Barrikade am Tatort in Paris

Barrikaden brennen in der Nähe des Tatorts

Sprechchöre in der Nähe des Tatorts machten den türkischen Staat und Präsident Recep Tayyip Erdogan für die Schüsse verantwortlich. Das türkische Militär kämpft in der Türkei und im Norden des Iraks gegen kurdische Extremisten, die mit der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei PKK verbunden sind. Zudem hat das Militär vor kurzem Ziele syrischer Kurden im Norden von Syrien angegriffen.

Demonstrierende und Polizisten in Paris

Gewaltsame Auseinandersetzungen

Während des Statements des Innenministers waren immer wieder laute Rufe aus der Menge zu hören. In der Nähe des Tatorts gab es am frühen Freitagabend Demonstrationen. Dabei kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen kurdischen Demonstrierenden und Sicherheitskräften. Die Polizei setzte Tränengas ein.

Erneute Ausschreitungen an Heiligabend

Am Samstag kam es dann erneut zu Ausschreitungen in der französischen Hauptstadt. Am Rande einer friedlichen Demonstration zum Gedenken an die drei Toten gab es Zusammenstöße mit den Sicherheitskräften. Ein Polizeigewerkschafter betonte jedoch im französischen TV, es sei nur ein kleiner und militanter Teil der kurdischen Gemeinschaft, der dafür verantwortlich sei.

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Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichten unter anderem von Wurfgeschossen, die in der Nähe des Place de la République auf Ordnungskräfte geschleudert wurden. Diese antworteten mit Tränengas.

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