Ein Wolf (Canis lupus)

Wölfe in NRW: Wie viel Schutz haben die Tiere verdient?

Stand: 05.06.2024, 15:45 Uhr

Der Wolf kehrt zurück nach NRW. Was Tierschützer freut, ist Viehzüchtern ein Dorn im Auge. Nun soll der Abschuss der Tiere erleichtert werden. Aber wie gefährlich sind Wölfe überhaupt?

Etwa 150 Jahre lang gab es Wölfe in Deutschland nur im Zoo und im Märchen. Das Tier galt seit Mitte des 19. Jahrhunderts als ausgerottet. Anfang des neuen Jahrtausends hat sich das geändert. Der Wolf ist zurück und er breitet sich aus.

Ein paar Zahlen: Laut dem Bundesamt für Naturschutz konnten 2022/23 bundesweit 1.339 Tiere in 184 Rudeln bestätigt werden. Der Großteil davon lebt im Nordosten Deutschlands. In NRW wurden laut Dokumentationsstelle des Bundes 2022/23 zwei Rudel und drei Einzeltiere bestätigt.

Landwirt auf Trecker 30 Minuten lang vom Wolf verfolgt

Das zeigt auch ein aktuelles Beispiel. Der Landwirt Tobias Kahr aus Völlinghausen im Sauerland ist am 3. Mai spätabends mit dem Trecker auf dem Feld, um für die Kartoffelsaat vorzuackern. Als er das Gerät dafür, den "Grubber" einstellt, kommt ein Tier aus dem Tal hochgelaufen - und zwar "ziemlich zügig", wie sich Kahr erinnert. "Erst dachte ich, das wäre ein Hund. Aber dann wurde mir klar: Das ist ein Wolf." Kahr springt schnell auf seinen Trecker und schließt die Tür. "Das war schon unheimlich. Angst hatte ich zwar nicht, aber einen gewissen Respekt. Man ist den Umgang mit solchen Tieren ja nicht gewohnt." Der mutmaßliche Wolf, der ziemlich verspielt wirkt, bleibt auch in der Nähe, als Kahr den Trecker anwirft und anfängt, das Feld zu beackern. "Er ist mir gefolgt, kam dem Trecker immer wieder nahe." Eine gute halbe Stunde habe der Wolf ihn bei der Arbeit begleitet, dann habe er sich schließlich getrollt.

Wolf verfolgt Landwirt in Kreis Soest | sv

00:31 Min. Verfügbar bis 05.06.2026

Auch andere Landwirte können von Begegnungen mit Wölfen berichten. Nur dass diese nicht immer so harmlos ablaufen wie bei Tobias Kahr. Vor allem Viehzüchter beklagen immer wieder, dass ihre Tiere durch Wölfe gerissen werden. Wegen der Naturschutzbestimmungen können Wölfe nicht so leicht gejagt werden wie andere Tiere. Denn derzeit gehören sie zu den "streng geschützten Tierarten".

Wölfe sollen leichter gejagt werden können

Das will die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ändern. In einem Antrag, der am Mittwoch im Parlament diskutiert wird, fordert diese, den Status des Wolfs herabzustufen. Statt "streng geschützt" sollen Wölfe künftig nur noch als "geschützt" gelten. Dann könnte man die Tiere leichter jagen und töten, sollten sie Nutztiere angreifen. Auch die EU-Kommission hat entsprechende Pläne, die bereits Ende 2023 bekannt wurden.

Den Schutzstatus für Wölfe herabzustufen, das sehen Naturschutzorganisationen kritisch. Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, nannte die EU-Pläne "zutiefst enttäuschend" und unterstellte der Kommission eine politische Motivation, um es "dem konservativen Lager sowie deren Lobbygruppen recht zu machen". Der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt verwies darauf, dass ein Abschuss sogenannter "Problemwölfe" keine direkten Auswirkungen auf die Sicherheit der Nutztiere hätte: "Alle wissenschaftlichen Studien belegen, dass die Zahl der Nutztierrisse von der Qualität des Herdenschutzes abhängt und nicht von der Zahl der Wölfe."

"Tiere, die Schäden verursachen, aus dem Verkehr ziehen"

Otrun Humpert beugt sich in einem Stall zu einem Schaf hinunter, im Vordergrund zwei Hunde

Schafzüchterin Ortrun Humpert

Das sieht Ortrun Humpert hingegen ganz anders. Sie ist Vorsitzende des NRW-Schafzuchtverbandes. Ihre Mitglieder sind regelmäßig von Wölfen wie etwa "Gloria" in Schermbeck betroffen, die in ihrem Gebiet am Niederrhein immer wieder Schafe reißt. Wölfe, so Humpert, seien sehr lernfähig und würden sich auch schnell auf veränderte Schutzmaßnahmen einstellen. Diesen Kreislauf gelte es zu unterbrechen: "Wir träumen nicht von der Ausrottung der Wölfe", so Humpert zum WDR. "Aber es muss endlich möglich sein, dass diejenigen Tiere, die den Züchtern wiederholt Schaden zufügen, aus dem Verkehr gezogen werden. Das würde auch die Akzeptanz für die Wölfe erhöhen, die keine Probleme machen."

Können Wölfe gefährlich für Menschen werden?

Tatsächlich gab es zuletzt immer wieder Berichte über Wölfe, die sich Menschen näherten - auch in NRW. In Emmerich, in Arnsberg, in Gymnich. Selbst im dicht besiedelten Kölner Stadtteil Ehrenfeld trieb sich bereits ein Wolf herum. Verlieren die Wölfe ihre Scheu vor den Menschen? Muss man Angst haben, dass bald nicht nur Schafe, Ziegen oder Ponys angegriffen werden, sondern auch Menschen?

Zwei tote Schafe mit Markierungen

Von Wölfen gerissenes Schaf

Nein, sagt Katharina Stenglein vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Internationale Studien belegten, dass es vor allem zwei Faktoren gebe, die Wölfe gefährlich für Menschen machen könnten: Wenn diese Tollwut hätten - was hier sehr unwahrscheinlich ist, denn die Tollwut gilt seit 2008 als ausgerottet. Außerdem gehe von "habituierten Tieren" eine Gefahr aus, so Stenglein in der ARD. Das bedeutet, sie würden ihre Scheu vor Menschen verlieren, wenn sie durch Fütterungen aktiv an den Umgang mit Menschen gewöhnt würden.

Kein aggressives Verhalten gegenüber Menschen belegt

Dass die Lebensräume von Wölfen und Menschen näher zusammenrücken, steht außer Frage. Das führe aber nicht ""per se zu problematischem Verhalten", sagt das Bundesumweltministerium. "Wenn Wölfe die Erfahrung gemacht haben, dass die Wahrnehmung menschlicher Präsenz ohne negative Konsequenzen verläuft, reagieren sie bei Begegnungen mit Menschen und Fahrzeugen in der Regel zwar vorsichtig, aber nicht extrem scheu und traben meist ohne übermäßige Hast davon." Tatsächlich gab es in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten keinen einzigen belegten Fall, bei dem sich ein Wolf einem Menschen gegenüber aggressiv gezeigt hätte.

Unsere Quellen:

  • Interview mit Tobias Kahr
  • Interview mit Ortrun Humpert
  • Deutscher Bundestag
  • Bundesumweltministerium
  • Bundesamt für Naturschutz
  • Deutscher Tierschutzbund
  • BUND
  • ARD-"Morgenmagazin"

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