Kita-Notstand: Was wird dagegen getan?
Aktuelle Stunde. 16.11.2023. UT. Verfügbar bis 16.11.2025. WDR. Von Anna Deschke.
Personalnot in Kitas verschärft sich - mit Folgen für Kinder und Erzieherinnen
Stand: 13.11.2023, 15:26 Uhr
Den Kitas in NRW fehlen mehr als 10.000 Erzieher und Erzieherinnen. Um den Personalmangel zu bekämpfen, fordern die Träger 500 Millionen Euro vom Land. Die soll es aber erst in einem Jahr geben.
Dass den Kitas in NRW Personal und Geld fehlt, ist nicht neu. Es ist gerade einmal vier Wochen her, dass 22.000 Menschen vor dem Landtag in Düsseldorf für den Erhalt der sozialen Infrastruktur wie Kitas und schulischen Ganztagsangeboten demonstrierten.
Mehr als 20.000 Menschen demonstrierten im Oktober vor dem Landtag
Schon jetzt ist die Situation in Nordrhein-Westfalen fatal. Insgesamt fehlen landesweit mehr als 10.000 Erzieherinnen und Erzieher. Der ohnehin herrschende Personalmangel in vielen Kitas verschärft sich aktuell noch mehr, weil nun auch noch Krankheitswellen dazu kommen. Viele Kitas reduzieren deswegen ihre Öffnungszeiten oder müssen zeitweise sogar schließen.
Unterbesetzte Kitas
In der Solinger Kita Wiedenhof beispielsweise betreuen acht Erzieherinnen und Erzieher 40 Kinder - eigentlich. Denn schon sei Monaten sind drei der Stellen nicht besetzt. Und das hat drastische Folgen. "Das Schwierigste war, dass die Kinder gar keine Regeln kannten", sagt Antje Lücker, die die Kita seit April leitet. "Die Kinder sind hier über Tische und Bänke gegangen."
Den Grund dafür sieht Lücker eindeutig in der angespannten Personalsituation. Das Personal habe immer wieder gewechselt, die Kinder konnten dadurch kein Vertrauen aufbauen und waren laut der Erzieherin "völlig durch den Wind".
Hohe Belastung, hoher Krankenstand
Doch nicht nur für die Kinder ist die Situation belastend. Sie zerrt auch an den Nerven vieler Mitarbeitenden in den Kitas. Die Folge: Immer wieder fallen Erzieher und Erzieherinnen aus gesundheitlichen Gründen aus, was die Situation noch mehr verschärft.
Eine Lösung wäre, mehr Personal einzustellen, doch dafür fehlt das Geld, wie die Geschäftsführerin des Diakonischen Werks in Solingen, Ulrike Kilp sagt. "Wir wissen nicht, wie wir das Personal innerhalb dieses Kita-Jahres, das noch bis zum 31.07.2024 läuft, bezahlen sollen", so Kilp. "Und das bedeutet, dass wir zunächst die Frage beantwortet haben müssen, ob die Landesregierung jetzt bereit ist, den Oberleitungsschaden in diesem Kita-Jahr zu reparieren."
Land NRW bewilligt 100 Millionen Euro Überbrückungshilfe
Konkret bedeute das, dass die Träger der Kitas in NRW jetzt 500 Millionen Euro zusätzlich brauchen, so Kilp. Die Überbrückungshilfe, die das Land bereit ist, sofort zu zahlen, liegt aber nur bei 100 Millionen Euro. Zu wenig, sagen die Träger.
Im Gespräch mit dem WDR 5 Morgenecho verweist NRW-Familienministerin Josefine Paul (Grüne) in diesem Zusammenhang auf die KiBiz-Pauschale, die zum neuen Kita Jahr um fast 10 Prozent steige. "Das heißt, mit dem Haushalt 24 kommen ja zusätzliche rund 550 Millionen Euro ins System", so Paul. "Das ist, auch in Zeiten finanziell angespannter Haushaltslagen des Landes, ein klares Zeichen, dass wir hier eine Priorität setzen." In diesen 550 Millionen sind allerdings auch die 100 Millionen Überbrückungshilfe enthalten.
Träger fordern Studium für Erzieherberuf
Abgesehen vom Geld müsste laut Ulrike Kilp aber auch mehr unternommen werden, um den Erzieherberuf attraktiver zu machen - von Land und Kita-Trägern. Eine Möglichkeit das zu erreichen sei, ein Universitäts- oder Fachhochschulstudium zur Grundvoraussetzung zu machen, um als Erzieher oder der Erzieherin zu arbeiten. "Das fordern wir Träger schon sehr lange", so Kilp.
Familienministein Paul hingegen möchte an dem bisherigen System festhalten: "Wir brauchen die guten, grundständig ausgebildeten Erzieherinnen. Wir brauchen diejenigen, die über die Praxis integrierte Ausbildung, sogenannte Pia-Ausbildung, ins System kommen. Wir brauchen diejenigen, die auch über ein Studium ins System kommen."
Aufgrund des bereits herrschenden Personalmangels werden laut Paul aber auch Quereinsteiger in Zukunft ein größere Rolle spielen. "Weil wir brauchen eben mehr Personal in den Kitas, um einerseits eben die bestehenden Bestandskräfte auch zu entlasten und gleichzeitig aber eben auch mehr Leute ins System zu bekommen."
Kitas im Notbetrieb: Beaufsichtigen statt fördern
Bis es soweit ist, werden viele Einrichtungen weiterhin im Notbetrieb laufen. So wie die Kita Wiedenhof in Solingen. Hier spielen die Kinder mittlerweile im Garten der Einrichtung. Beaufsichtigt werden sie von vier Erzieherinnen und Erziehern, die nicht viel mehr machen können, als aufzupassen, dass den Kindern nichts passiert.
"Normalerweise wäre es schön, wenn man sich hier in Gruppen aufteilen könnte und den Kindern auch was anbieten könnte", sagt Kita-Leiterin Antje Lücker. Das sei aber beim aktuellen Personalmangel nicht möglich. Die Erzieher spielten nur noch Feuerwehr.
Über dieses Thema berichteten wir am 13.11.2023 im WDR-Hörfunk beim WDR 5 Morgenecho.