Besonders in NRW sollen die Ermittler einem weitverzweigten Geldwäschesystem in Restaurants, Pizzerien und Cafés auf der Spur sein. Unter anderem soll eine Eisdiele in Siegen als Geldwaschanlage und Unterschlupf der kalabrischen Mafia gedient haben.
Stabiler Wirtschaftsstandort ohne Bargeld-Obergrenze
WDR-Redakteurin Daniela Nosari
Die WDR-Journalistin Daniela Nosari von der italienischen Redaktion von COSMO befasst sich schon lange mit dem Thema Mafia und Organisierte Kriminalität. Nach ihrer Einschätzung gibt es verschiedene Gründe dafür, dass Deutschland zu den Lieblingsländern der italienischen Mafia zählt.
Ein Faktor ist für sie zunächst einmal der stabile Wirtschaftsstandort: "Hier kann man gut Geld investieren und sicher sein, dass sich die Investition auszahlt." Außerdem könne man in Deutschland unbeschränkt mit Bargeld bezahlen. "Es gibt in Deutschland keine Bargeld-Obergrenze." Dadurch können Geldflüsse von Ermittlern schlechter nachvollzogen werden. In Italien gebe es deshalb eine Bargeldobergrenze von 5.000 Euro, in Frankreich seien es sogar nur 1.000 Euro.
Geldwäsche leicht, Abhören schwierig
Auch die gesetzliche Situation in Deutschland sei lascher als in Italien. "Die Geldwäschegesetze sind hier weniger streng", sagt WDR-Redakteurin Daniela Nosari. Die 'Ndrangheta versuche ihre Profite aus dem Kokainhandel, also illegal erwirtschaftetes Geld, in den legalen Wirtschaftskreislauf einzuschleusen und in Deutschland zum Beispiel Immobilien zu kaufen.
Auch fehlten effiziente gesetzliche Regeln, um gegen die Mitgliedschaft in kriminiellen Organisationen vorzugehen. "Abhören ist in Deutschland viel schwieriger als in Italien." Aber nur so könne eine Mitgliedschaft belegt werden.
Besonderes Interesse an der deutschen Provinz?
Warum könnte sich die kalabrische Mafia gerade Siegen als Rückzugsraum ausgesucht haben? "In der Provinz kann man sich besser verstecken", sagt Daniela Nosari. Es gebe Vermutungen, dass Vertreter der Mafia versuchten, sich in Gemeinden zu integrieren.
"Man kann zum Beispiel für wohltätige Zwecke spenden oder Lokalpolitiker unterstützen - und irgendwann um einen Gefallen bitten." In Thüringen befasse sich derzeit ein Untersuchungsausschuss mit einem solchen Verdacht. Es gehe dabei um mutmaßliche Verbindungen von Politik, Justiz oder Verwaltung in Thüringen zur italienischen Mafia, die unter anderem in Erfurt, Eisenach, Weimar und Arnstadt aktiv sein soll.
"Morde gefährden das Geschäft"
Was die Zerschlagung von Mafia-Strukturen in Deutschland ebenfalls erschwere, sei deren normalerweise unauffälliges Verhalten. "Denn öffentliche Aufmerksamkeit gefährdet das Geschäft", sagt die Journalistin Daniela Nosari. Mafia-Morde seien in der Bundesrepublik untypisch. "Denn dann beginnen die Ermittlungsbehörden genau hinzuschauen."
Die Duisburger Mafia-Morde im Sommer 2007 seien aus der Perspektive des Organisierten Verbrechens "ein großer Fehler" gewesen. Damals waren vor einer Pizzeria in Duisburg sechs Italiener erschossen. Hintergrund war offenbar eine Familienfehde zweier Mafia-Clans.