Mafia-Boss Denaro: Das bedeutet seine Verhaftung nach 30 Jahren Flucht

Stand: 17.01.2023, 12:41 Uhr

Nach 30 Jahren Flucht: Mafia-Boss Denaro wurde in einer Privatklinik in Sizilien verhaftet. Der Jubel ist groß, doch Mafia-Experte Mattioli ist skeptisch.

Nach drei Jahrzehnten der Fahndung ist der meistgesuchte Mafioso Italiens gefasst. Messina Denaro, der letzte große Boss der sizilianischen Cosa Nostra, wurde am Montag in einer Privatklinik in Palermo festgenommen.

"Ich bin Matteo Messina Denaro", sagte der überraschte 60-Jährige, als er am Eingang des Krankenhauses von Spezialkräften der italienischen Carabinieri angesprochen wurde. Seine seit 1993 dauernde Flucht war damit vorbei. Dutzende Polizisten sicherten die Klinik. Als andere Patienten erfuhren, wer hier verhaftet wurde, applaudierten sie spontan.

Brutale Taten

Der am 26. April 1962 in der Kleinstadt Castelvetrano im Westen von Sizilien geborene Messina Denaro war in Abwesenheit wegen Dutzender Verbrechen zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Es sind abscheuliche Taten darunter: Der Mann soll etwa die Bombenanschläge auf die Juristen und Mafia-Jäger Giovanni Falcone und Paolo Borsellino im Jahr 1992 organisiert haben, bei denen die zwei Juristen und Mafia-Jäger sowie mehrere Begleiter starben.

Auch die Entführung des kleinen Giuseppe Di Matteo soll er mitgeplant haben: Der Junge war von November 1993 an von der Cosa Nostra mehr als zwei Jahre an unterschiedlichen Orten und unter unmenschlichen Umständen festgehalten worden. Die Mafia wollte erzwingen, dass sein Vater nicht vor Gericht aussagt. Nach 779 Tagen erdrosselten die Mafiosi den Jungen kurz vor dessen 15. Geburtstag und lösten seinen Leichnam in Säure auf. Italien war geschockt von so viel Brutalität.

Mafia-Boss Matteo Messina Denaro wird von zwei Carabinieri abgeführt

Mafia-Boss Matteo Messina Denaro wird von zwei Carabinieri abgeführt

Große Freude und Genugtuung

Zu jener Zeit begann Denaro damit, zum Boss der Cosa Nostra aufzusteigen. Er galt als Vertrauter und dann Nachfolger der ehemaligen Cosa-Nostra-Paten Salvatore "Totò" Riina und Bernardo Provenzano. Den brutalen und skrupellosen Riina nannte man den Boss der Bosse in Sizilien. Er wurde am 15. Januar 1993 verhaftet, also fast auf den Tag genau 30 Jahre vor Denaro. Riina und Provenzano starben 2017 beziehungsweise 2016 im Gefängnis.

Denaro galt als letzter noch flüchtiger Top-Mafioso aus jener Zeit. Seine Verhaftung löste in dem Mittelmeerland große Freude und Genugtuung aus. Auf Handyvideos ist zu sehen, wie Passanten in Palermo nach dem Einsatz zu den Carabinieri gehen und sich - teils unter Tränen - bedanken. Viele klatschen, als ein Komplize von Denaro ebenfalls von der Klinik weggeführt wird.

Angeblich offizielle Papiere

Unter den Jubel mischte sich aber auch Unglaube und gar Entsetzen, dass es so lange dauerte, bis der meistgesuchte Kriminelle des Landes festgenommen werden konnte. Der eigentlich untergetauchte Messina Denaro ließ sich seit nicht weniger als einem Jahr wegen einer Krebserkrankung in der Privatklinik behandeln.

Das Krankenhaus teilte mit, dass er vor einem Jahr unter dem Namen Andrea Bonafede eincheckte und operiert wurde und auch danach immer wieder zu Nachkontrollen kam. Angeblich hatte er einen offiziellen Personalausweis und sogar eine Steuernummer unter dieser Identität.

Keinen Effekt auf Deutschland

Sandro Mattioli, Mafia-Experte

Mafia-Experte Sandro Mattioli

Denaro gehöre heute nicht mehr zu den wichtigsten Mafiosi, sagte Sandro Mattioli am Dienstag dem WDR. Der Journalist und Mafia-Experte ist Gründer des Vereins "Mafianeindanke". Dennoch sei Denaro der wichtigste Mafioso auf der Flüchtigenliste, "weil er der ranghöchste war und eben seit 30 Jahren gesucht worden ist".

Wie groß dieser Erfolg gegen die Mafia tatsächlich ist, müsse sich erst noch zeigen, sagte Mattioli. Denn es gebe in Italien gegenwärtig noch verschiedene gesetzliche Einschränkungen, um wirklich effizient gegen die Mafia vorgehen zu können.

Auch auf Deutschland habe die Verhaftung keinen Effekt, sagte Mattioli: "Dazu ist es ein viel zu sehr symbolischer Schlag." Die Cosa Nostra sei dadurch nicht so geschwächt worden, dass sie nicht mehr funktioniere. "Der Betrieb der Cosa Nostra, der wird relativ ungestört weitergehen."

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