Limburg will gezielt Tauben töten: Auch ein Modell für NRW?
Aktuelle Stunde . 10.06.2024. 20:33 Min.. UT. Verfügbar bis 10.06.2026. WDR. Von Alexander Klein.
Warum Limburger Bürger über Genickbrüche bei Tauben abgestimmt haben
Stand: 10.06.2024, 13:02 Uhr
Die Menschen im hessischen Limburg haben mit knapper Mehrheit dafür gestimmt, dass Tauben in der Stadt per Genickbruch getötet werden sollen. Auch in NRW werden Tauben laut einem Falkner so getötet.
Von Sabine Schmitt und Jörn Seidel
Den knapp 27.000 Wahlberechtigten in Limburg lagen am Sonntag drei Wahlzettel vor: Sie wählten das EU-Parlament, den nächsten Landrat ihres Kreises - und sie stimmten über einen Bürgerentscheid zur "Stadttaubenproblematik". So nennt die Stadt Limburg es in einem Schreiben.
In Limburg könnten hunderte Tauben getötet werden
Konkret ging es um die Frage, ob ein Teil der etwa 700 Tauben in der Innenstadt getötet werden soll - und zwar per Genickbruch. Die Stadtverordnetenversammlung hatte im November beschlossen, einen Falkner damit zu beauftragen. Eine knappe Mehrheit von 53 Prozent stimmte nun für das Taubentöten.
Endgültig entschieden ist die Tötung per Genickbruch damit allerdings noch nicht. Erst müsse die Limburger Stadtverwaltung prüfen, dass es tatsächlich eine Überpopulation an Tauben gibt und welche Gesundheitsgefahren und Gebäudeschäden konkret bestehen, erklärt Stefanie Kesper-Süß, Pressesprecherin der Stadt Limburg, dem WDR. Danach könne die Verwaltung den Auftrag zur Genicktötung öffentlich ausschreiben. Ein weiterer Beschluss des Stadtparlaments sei nicht nötig.
Daniela Weber von den Taubenfreunden Münster ist über das Ergebnis der Abstimmung in Limburg erschrocken. Sie habe "wirklich gehofft, dass diese ganze Angelegenheit noch positiv ausgeht, also dass die Tauben nicht getötet werden dürfen", sagte sie am Montag dem WDR.
So sieht es auch die Limburger Initiative "Stoppt das Taubentöten". Sie brachte das Bürgerbegehren auf den Weg und sammelte dafür nach eigenen Angaben Unterschriften von 3.310 Wahlberechtigten.
"Ein kurzer Ruck und das war's"
Falkenzüchter Berthold Geis
Der, der es womöglich machen wird, heißt Berthold Geis. Er lebt in einer Gemeinde im mittelhessischen Landkreis Limburg-Weilburg. Die Stadt hatte ihn um Rat gefragt. Er, der sich seit Jahrzehnten mit der Problematik beschäftigt, gab eine Antwort. Beim Genickbruch, sagt er, gebe es einen "kurzen Ruck und das war's. Es dauert einen Bruchteil einer Sekunde." Rechtlich möglich mache das ein Urteil eines hessischen Verwaltungsgerichtshofs, dort wurden Tauben zu Schädlingen erklärt. "Damit ist das Töten erlaubt", sagt Geis. Dasselbe gelte im Übrigen für Ratten.
Tierschützer: Eier im Nest gegen Gips-Eier tauschen
"Ich finde das total grausam und auch alles andere als zeitgerecht", sagt Weber von den Taubenfreunden Münster zur Taubentötung durch Genickbruch. "Und es gibt ja auch wirklich viel, viel bessere Lösungen, das ganze Taubenproblem besser in den Griff zu bekommen: mit betreuenden Taubenschlägen nach dem Augsburger Modell."
Das Augsburger Modell sieht vor, den Tauben ausreichend Taubenschläge oder -häuser zur Verfügung zu stellen. Dort hielten sich die Tiere gern auf. Sie würden dann weniger in der Stadt umherfliegen und koten. Außerdem sei so der Austausch der Eier mit Gips-Eiern deutlich einfacher. Auch in Limburg war das mal im Gespräch - wurde dann aber wieder verworfen.
Geis winkt bei diesem Modell ab. Viele Städte hätten sich davon schon wieder verabschiedet, weil es nicht funktioniert. Gründe dafür gebe es viele. Einer davon: In diesen Taubenhäuser würden auch Tiere nur zum Fressen fliegen, die dann woanders brüten. Das Futter mache ihren Nachwuchs besonders stark. Tauben, deren Partner verstorben ist, würden im Taubenhaus sofort einen neuen Partner finden. Das Taubenhaus sei eine regelrechte Kontaktbörse, sagt Geis.
Außerdem sei die Verschmutzung um die Häuser herum immens. Geis fragt außerdem: "Eier austauschen?" und antwortet darauf gleich selbst. "Da sind Embryos drin. Wo fängt man da an, Leben zu schützen?"
"Anti-Baby-Pille" für Tauben im Test in NRW
"Anti-Baby-Pille" für Tauben
Welche Alternative gibt es noch zum Genickbruch? Einige Städte, darunter unter anderem Köln, Wuppertal, Solingen, Remscheid und Hagen testen ein neues Medikament: "Ovistop" - das ist so etwas wie die "Anti-Baby-Pille" für Tauben. Doch auch das ist umstritten. Der Bundesverband Menschen für Tierrechte sagt, der Wirkstoff sei als dauerhaftes Verhütungsmittel für Tauben bislang kaum erforscht.
Auf der Website des Verbands ist von lebensbedrohlichen Nebenwirkungen die Rede. Außerdem sei die Wirksamkeit des Präparates zweifelhaft. Falkner Geis fügt dem noch hinzu: "Wie wollen Sie verhindern, dass Singvögel das Medikament nicht auch fressen und unfruchtbar werden? Man kann das nicht steuern."
Geis: Kunden für Tauben-Genickbruch auch in NRW
Geis erzählt, er habe viel Respekt davor, wie transparent die Stadt Limburg mit dem Thema umgeht. Er bekäme viele Anfragen aus ganz Deutschland. Firmen, Kommunen und auch Privatleute würden ihn anfragen. Auch in großen Städten von NRW sei er schon im Einsatz gewesen und hätte die Vögel per Genickbruch getötet. Im Gegensatz zu Limburg würden diese Kunden aber Stillschweigen erwarten.
Der Stadt Limburg und ihm werde schon jetzt gedroht, sagt Geis. Der Tierschutz hätte schon gesagt: "Wir werden Sie verklagen." Geis würde die Tauben nach Auftragsvergabe dennoch töten. Seinen Greifvögeln zum Fraß geben, würde er sie aber nicht. "Diese Tauben sind zu krank und voller Würmer."
Geis' Vater, so schreibt er es auf seiner Website, sei ein über die Region hinaus bekannter Brieftaubenzüchter gewesen. "Sehr erfolgreich, mit vielen Preisen und Pokalen geehrt, nahm er an zahlreichen Wettflügen teil." Stadttauben, sagt er, seien Nachkommen von entflogenen Zuchttauben. Sie seien nach dem Krieg aus den zerstörten Häusern in die Städte gekommen. "Das ist zu groß geworden." Selbst durch seine Einsätze, sagt Geis, könne er in keiner Stadt das Taubenproblem vollständig lösen.
Unsere Quellen:
- Website der Bürgerinitiative "Stoppt das Taubentöten!"
- Interview mit Falkner Berthold Geis
- Daniela Weber, Taubenfreunde Münster, im WDR-Interview
- Website des Bundesverbands Menschen für Tierrechte
- Stadt Limburg, Pressemitteilung und WDR-Anfrage
- Nachrichtenagenturen dpa und epd
Über dieses Thema berichteten wir im WDR am 10.06.2024 auch im Hörfunk: WDR 5 Morgenecho ab 6 Uhr.