45 Flüge habe Eurowings wegen der Protestaktion Mitte Juli streichen müssen, teilt das Unternehmen auf WDR-Anfrage mit. Zusätzlich sei es zu beträchtlichen Verspätungen im Flugprogramm von und nach Düsseldorf und Hamburg gekommen. Daher beabsichtige Eurowings - wie alle anderen betroffenen Airlines der Lufthansa-Gruppe - Schadensersatzansprüche geltend zu machen.
Ähnliche Überlegungen gibt es bei den Luftfahrtgesellschaften TUIfly und Condor. Dort prüfe man derzeit noch, ob man Schadensersatz von den Aktivisten der "Letzten Generation" fordern wolle. Bei TUIfly werde man ein gemeinsames Vorgehen betroffener Airlines über den Bundesverband der Deutschen Fluggesellschaften (BDF) anstreben - konkret sei aber noch nichts.
Fachanwalt: "Schadensersatzforderungen dürften erfolgreich sein"
Der Luftfahrtsachverständige Stefan Hinners aus Hamburg - selbst Pilot - geht davon aus, dass die Schadensersatzforderungen erfolgreich sein dürften. "Das ist ein komplexes Thema. Da muss viel geprüft und argumentiert werden. Letztlich wird es aber zu Schadensersatz führen", ist er sich sicher. Pro gestörtes Flugzeug kämen da teils hohe fünfstellige Beträge zusammen.
Der Hamburger Luftfahrtexperte Gerald Wissel schätzt in der "Rheinischen Post", dass es um mehrere Millionen Euro gehen werde. Die Fluggesellschaften hätten Hotels für Passagiere buchen müssen, Einnahmen durch Tickets verloren, Ersatzflugzeuge finden und andere Crews einsetzen müssen. Da käme einiges zusammen.
Einen juristischen Rechtfertigungsgrund für die Proteste sieht Fachanwalt Hinners im konkreten Fall nicht. Strafrechtlich hatten Gerichte vereinzelt entsprechend zu Gunsten der Klimaaktivisten geurteilt und sich dabei auf einen "rechtfertigenden Notstand" durch den Klimawandel bezogen.
"Juristisch herausfordernd ist der Fall, weil man nicht will, dass bei einem Stau nach einem Verkehrsunfall alle hinter dem Unfallverursacher Anspruch auf Schadensersatz haben", erklärt Hinners. Den Airlines und Flughäfen sei aber Schaden dadurch entstanden, dass Erwerbsmöglichkeiten verhindert worden seien. Auch durch Folgeschäden wie die Unterbringung von Fluggästen in Hotels könnten sich Schadensersatzansprüche ableiten lassen, glaubt Hinners.
Kaum Rechtssprechung zum konkreten Fall
WDR-Rechtsexperte Philip Raillon ist zurückhaltender. Bisher gebe es kein Grundsatzurteil in so einem Fall, daher sei schwer zu sagen, wie Schadensersatzforderungen ausgingen. Mit entscheidend sei es, ob ein Gericht die Blockaden als sittenwidrig einschätze oder nicht.
Verargumentieren ließe sich beides, glaubt Raillon. Einerseits dienten die Proteste dem Klimaschutz, andererseits seien sie so nicht mit dem Rechtsstaat vereinbar. Niemand dürfe ohne weiteres seinen Willen anderen durch Blockaden aufdrängen. Dass die Fluggesellschaften Forderungen zunächst umfassend prüfen würden, zeige schon, wie schwierig die Lage rechtlich sei.
"Letzte Generation" als Organisation haftbar?
Für den Luftfahrtsachverständigen Hinners könnten nicht nur die einzelnen Aktivisten haftbar gemacht werden, sondern womöglich auch die "Letzte Generation" als Organisation dahinter. "Wenn die einzelnen Täter sagen, das habe ich mir alleine ausgedacht, wird es schwierig, ansonsten stehen die Chancen gut", glaubt Hinners. Schließlich stünden gleichförmige Aktionen dahinter, Wohnungen würden für Trainings angemietet.
Die "Letzte Generation" finanziert sich nach eigenen Angaben zum größten Teil über Spenden. Nach einem von der Gruppe veröffentlichten Transparenzbericht für das Jahr 2022 gibt sie an, mehr als 900.000 Euro an Spenden erhalten zu haben. Davon habe man dem Bericht zufolge 535.000 Euro ausgegeben - vor allem für die Anmietung von Veranstaltungsräumen, Wohnungen für Demonstranten und Autos. 100.000 Euro seien in Material wie Sekundenkleber, Plakate und Warnwesten geflossen.
Über dieses Thema berichtet der WDR am 29.07.2023 im Radio bei WDR Aktuell - Tag um sechs.