Politik und Social Media: Wie erreichen Parteien junge Menschen?

Aktuelle Stunde 19.03.2024 24:36 Min. UT Verfügbar bis 19.03.2026 WDR Von Lucie Jäckels

Lauterbach goes TikTok: So will er die AfD ausbremsen

Stand: 19.03.2024, 20:44 Uhr

TikTok ist fest in rechter Hand: Bei den jungen Social-Media-Nutzern hat die AfD deutlich mehr Fans und Follower als die anderen Parteien. Das will Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach nun ändern.

Von Ingo NeumayerIngo Neumayer

Sind Sie auf TikTok aktiv? Wahrscheinlich nicht, denn statistisch gesehen nutzt nur jede fünfte Person in Deutschland diese Social-Media-Plattform. Es sei denn, Sie gehören der "Generation Z" an und sind zwischen 1997 und 2012 geboren. In dieser Altersgruppe nutzen über die Hälfte (53 %) TikTok, bei den 14- bis 19-Jährigen sind sogar zwei Drittel. Das geht aus Daten der Digitalinitiatve "D21" vor, einem gemeinnützigen Verein, der als Netzwerk mehrere hundert Unternehmen und Institutionen aus Bund, Ländern und Kommunen verbindet. Wer als Partei oder politischer Akteur also Erstwähler und junge Zielgruppen erreichen will, ist hier genau richtig.

Das gelingt offenbar der AfD derzeit am Besten. Der Politikberater Johannes Hillje hat vergangenen Monat für das ZDF die TikTok-Aktivitäten der im Bundestag vertretenen Parteien ausgewertet. Das Ergebnis: Zwischen Anfang 2022 und Ende 2023 erreichte die AfD-Bundestagsfraktion 430.000 Impressionen pro Video. Ein Wert, der über achtmal so hoch ist wie der der zweitplatzierten Partei: Die FDP kam auf rund 53.000, die anderen Parteien lagen noch niedriger.

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Verfassungsschutz warnt vor Desinformationen auf TikTok

Um ihre Botschaften zu transportieren, nutzt die AfD nicht nur ihre eigenen Accounts, sondern kann auf die Hilfe einer "Fan-Armee" setzen, wie es Politikwissenschaftler Marcus Bösch vorvergangene Woche gegenüber dem WDR-"Morgenecho" beschrieb. Hierbei sprängen der Partei laut Bösch inoffizielle Accounts zur Seite, die "AfD-Propaganda betreiben" und bei denen es Hinweise auf Verbindungen nach Russland gebe.

Gerade angesichts der anstehenden Wahlen in diesem Jahr müsse man in sozialen Netzwerken verstärkt mit Desinformationen rechnen, warnt der Bundesverfassungsschutz. Diese würden gezielt verbreitet, "um politische Gegner zu diskreditieren und Wähler zu verunsichern, um die Demokratie und ihre Institutionen zu untergraben", sagte Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang am Dienstag dem "Handelsblatt". Als Beispiel nannte Haldenwang in diesem Zusammenhang TikTok.

Lauterbachs erster TikTok-Beitrag wurde tausendfach kommentiert

Lauterbachs erstes TikTok Video

Lauterbachs erstes TikTok Video (Screenshot)

Das soll sich nun ändern. Am Montagabend hat sich Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bei TikTok angemeldet und sein erstes Video veröffentlicht: "Revolution bei TikTok. Heute geht es los, mein erster TikTok-Beitrag", verkündete Lauterbach im Vorfeld der Sendung "Hart aber fair", neben ihm der Social-Media-Experte und Publizist Sascha Lobo. Die Resonanz auf Lauterbachs Post ist beachtlich: Nach zwölf Stunden hatten bereits 1.300 Personen seinen Beitrag kommentiert. Zum Vergleich: Die letzten fünf Videos des AfD-Europaspitzenkandidaten Maximilian Krah, der sehr aktiv auf TikTok ist, erreichten jeweils weniger als hundert Kommentare.

Rat an die Politik: Nicht tanzen, keine Jugendsprache

Politikberater Hillje hält Lauterbachs Schritt, den er vor zwei Wochen ankündigte, für richtig: "Man darf diese Plattform und damit die junge Zielgruppe nicht radikalen Kräften wie beispielsweise der AfD überlassen", sagte er Anfang März dem WDR-"Morgenecho". Allerdings lauerten gerade auf TikTok auch viele Fallstricke. Politiker wie Lauterbach müssten darauf achten, ihre Politik zielgruppengerecht zu vermitteln, "ohne peinlich zu werden". Hilljes Rat: Nicht tanzen, keine aufgesetzte Jugendsprache benutzen. Stattdessen solle man versuchen, "die Interessen, die Ästhetiken und die Kommunikationsgewohnheiten der jungen Generation aufzugreifen".

Lauterbach macht Sprüche über "Nicht-Boomer"

Das scheint Lauterbach verstanden zu haben. Ihm sei bewusst, dass "durch das Videoformat ein relativ plumper Satz, der catchy ist, besser läuft als eine Erklärung", sagte er in der ARD-Sendung "Hart aber fair". Zumindest das in den Sozialen Medien beliebte Spiel mit der (Selbst-)Ironie hat Lauterbach offenbar verstanden: Er bezeichnet sich offensiv als "Laie" in Sachen TikTok und warf "Nicht-Boomern" wie dem Moderator Louis Klamroth übertriebene Selbstdarstellung vor - natürlich mit einem Augenzwinkern.

Unsere Quellen:

Über dieses Thema berichten wir im WDR am 19.03.2024 auch im Fernsehen: Aktuelle Stunde, 18.45 Uhr.