Die japanische Boeing, mit welcher der NRW-Ministerpräsident und seine Delegation am Sonntagnachmittag Ortszeit in Tokio einschweben, trägt zwar einen auffälligen "Star Wars“-Schriftzug, doch Hendrik Wüst kommt in friedlicher Absicht. Zum ersten Mal seit 2007 reist wieder ein Regierungschef vom Rhein nach Japan.
Ein Drittel aller Japaner in Deutschland lebt in NRW
In das Land, zu dem NRW, insbesondere wegen der mehreren tausend Japaner im Raum Düsseldorf, enge Beziehungen pflegt. 11.000 Japanerinnen und Japaner leben in NRW - ein Drittel der japanischen Bevölkerung in Deutschland. 7000 von ihnen alleine im Regierungsbezirk Düsseldorf.
NRW ist Standort der Niederlassungen etlicher großer Firmen aus dem asiatischen Inselstaat, umgekehrt sind auch Unternehmen aus NRW in Japan aktiv. Aktuell sind über 600 japanische Unternehmen mit rund 47.000 Beschäftigten in Nordrhein-Westfalen angesiedelt – ca. 40 Prozent aller japanischen Firmen in Deutschland. Mehr als 100 Firmen aus Nordrhein-Westfalen sind mit Tochterunternehmen in Japan vertreten. Es gibt also mehrere Gründe, warum Wüst von Vertretern aus Wirtschaft und Wissenschaft auf der einwöchigen Reise begleitet wird.
Zusammenarbeit bei KI und Wasserstoff
"Japan ist für Nordrhein-Westfalen der wichtigste strategische Wirtschafts- und Wertepartner in Asien", sagte Wüst im Vorfeld der Reise. Er wolle die Zusammenarbeit bei den Themen Robotik/KI, Quantencomputing sowie Wasserstoff und Batteriezellentechnologie "weiter festigen".
Das steht auf dem Programm:
- Treffen mit Außenminister: Gespräch mit Yoshimasa Hayashi zum Umgang mit China
- Firmenbesuch: Fujifilm hatte 2022 ein "Open Innovation Hub" in Ratingen eröffnet
- Universität Tokio: Zusammenarbeit der Hochschulen stärken
- Sozialprojekte: Besuch eines Jugendparks und Inklusions-Cafés
Die Reise lässt sich auch deuten als ein wiedererwachtes Interesse an Japan. Das liegt nicht zuletzt an der vielzitierten "Zeitenwende“, die der russische Angriff auf die Ukraine eingeläutet hat. Wenn CDU-Politiker Wüst von dem "Wirtschafts- und Wertepartner“ Japan spricht, soll zum Ausdruck kommen, dass es nicht nur ums Geschäft geht, sondern auch darum, in Japan einen strategischen Verbündeten zu sehen. Das gilt mit Blick auf die Ukraine und Russland, aber ebenso mit Blick auf die Großmacht China und ihre unverhohlenen geopolitischen Ansprüche im Pazifikraum. Für Japan, das die Volksrepublik unmittelbar vor der Haustüre hat, ist das eine sicherheitspolitische Herausforderung.
Japans alte Gesellschaft als Modell
Japan ist für Deutschland nach Ansicht Wüsts aus einem weiteren Grund von Interesse: Es ist das Industrieland mit der ältesten Gesellschaft der Welt, hier leben die Menschen besonders lang, die Zahl der Kinder ist besonders gering. 48,7 Jahre betrug das Durchschnittsalter im Jahr 2022. Die demographischen Herausforderungen teilt Japan mit Deutschland.
Da passt es, dass sich Hendrik Wüst in seiner Regierungserklärung im vergangenen Jahr das Thema "Einsamkeit“ auf die Fahne geschrieben hat. In Japan gilt Einsamkeit als ein großes Problem, nicht nur im Alter, sondern generell. Es ist eine Herausforderung in sozial- und gesundheitspolitischer Hinsicht. Das Thema bildet einen roten Faden für den Besuch des deutschen Politikers, entsprechende Projekte stehen auf dem Reiseprogramm.
Da Japan, ähnlich wie die Bundesrepublik, ein stark industrialisiertes und energiehungriges Land ist, das kaum über eigene Rohstoffe verfügt, drängt sich eine weitere Parallele auf: die Energieversorgung der Zukunft. Anders als Deutschland setzt Japan noch auf Kernkraft, daran hat auch das Reaktorunglück in Fukushima 2011 nichts geändert. Dennoch suchen auch die Japaner nach erneuerbaren Energien, bei Besuchen in der Präfektur Fukushima und in Osaka steht deshalb vor allem das Thema "grüner Wasserstoff“ im Vordergrund.
Erste internationale Reise für Wüst
Der Ausflug ins Land der aufgehenden Sonne ist Wüsts erste größere Auslandsreise, die Pandemiejahre hatten entsprechende Pläne seines Vorgängers Armin Laschet (CDU) verhagelt. Und Wüsts Auftakt-Visite in Israel im März vergangenen Jahres war durch eine Corona-Infektion des Ministerpräsidenten durcheinander geraten, sein Aktionsradius beschränkte sich folglich auf das Hotelzimmer. Das ist in Japan nun alles vergessen. Womöglich kann die Delegation noch eine weitere Erfahrung von hier mitnehmen, die offiziell gar nicht Thema ist: die Verkehrswende. Auf den geplanten Inlandsfahrten mit dem Schnellzug "Shinkansen“ soll es, berichten Kenner des Landes, so pünktlich und verlässlich zugehen, dass Deutsche derzeit vor Neid erblassen.