Galeria, Esprit und Co.: So steht es um die NRW-Wirtschaft

Stand: 04.08.2024, 16:25 Uhr

Erst wackelte Galeria Kaufhof, jetzt ist die Modekette Esprit insolvent. Die NRW-Wirtschaft muss kämpfen - zumindest in einigen Branchen. Wie es insgesamt aussieht und wo es Nachholbedarf gibt.

Die Ratinger Modemarke Esprit ist insolvent, Galeria Kaufhof erlebte kürzlich nicht zum ersten Mal eine Rettungsaktion in letzter Minute. Auch weitere bekannte Modemarken kamen in den vergangenen Zeit ins Straucheln: Peek & Cloppenburg etwa, Görtz oder auch Gerry Weber. Auch in anderen Branchen kriselt es.

"Vorsichtiger Erholungskurs"

Dabei sah es insgesamt schon mal schlechter aus: Für Juli diagnostizierte die NRW.Bank einen "vorsichtigen Erholungskurs" für die NRW-Wirtschaft. "Entgegen dem Trend für Deutschland hat sich das Geschäftsklima im Juli positiv entwickelt", sagte der Vorstandsvorsitzende der NRW.Bank, Eckhard Forst.

Gemeinsam mit dem Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung analysiert die NRW.Bank regelmäßig das "Geschäftsklima" im Land. Die Daten gelten als wichtiger Frühindikator für die kommende Konjunkturentwicklung. Befragt werden monatlich über 1.500 Unternehmen.

Angst vor der Zukunft? Wie geht's der NRW-Wirtschaft? WDR RheinBlick 02.08.2024 26:32 Min. Verfügbar bis 01.08.2029 WDR Online

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Ab Februar 2022 ging es bergab

Bis Februar 2022 war in dieser Statistik sprichwörtlich alles im grünen Bereich - der Indikator Geschäftsklima lag bei 14,4. Im März, unmittelbar nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine kollabierte dieser Wert auf minus 0,8. Er sank dann weiter, letzter Tiefpunkt war im Februar 2024 mit minus 12,9. Seitdem steigt die Stimmung aber wieder leicht an, im Juli lag der Wert bei minus 7,0.

Gastro zieht wieder etwas an

Gastronomie wieder im Aufwind? | Bildquelle: dpa

Am stärksten stieg der Indikator demnach jetzt im Dienstleistungssektor. Besonders verbessert habe sich das Klima in der Logistik und im Gastgewerbe. Auch der Handel und die in NRW bedeutenden chemische Industrie zogen laut NRW.Bank an.

Bei Autobauern in NRW dagegen trübte sich die Stimmung ein: Aufträge gingen zurück. Deutlich unzufriedener mit den laufenden Geschäften ist auch die Baubranche.

Bürokratie hemmt überall

"Einiges läuft schief in der deutschen Wirtschaft", sagt Taiki Murai, Ökonom beim Verband Unternehmer.NRW. Größtes Hemmnis hierzulande aus Unternehmerperspektive sei die Bürokratie. Ein auch in der NRW-Politik immer wieder heißt diskutiertes Thema.

Zwar ist laut Statistischem Bundesamt der Bürokratiekostenindex in den vergangenen Jahren gesunken. Seit 2021 - also mit Antritt der aktuellen Bundesregierung - stieg er aber wieder deutlich an. Um 922 Millionen Euro stiegen die Bürokratiekosten alleine zur Erfüllung von Vorgaben aus dem im Wirtschaftsministerium an.

Unternehmer.NRW-Präsident baut Werk in Polen

Auch Energiekosten, Steuern und Abgaben seien in Deutschland deutlich höher als in den meisten anderen europäischen Ländern, China und den USA, sagt Murai. Viele NRW-Unternehmen zögen eine Abwanderung ins Ausland in Betracht. Selbst der Präsident des Verbands, Arndt Kirchhoff, baue mittlerweile ein Autozulieferer-Werk in Polen.

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Modebranche ächzt unter Billig-Konkurrenz aus Asien

Besonders empfindlich hat es offenbar auch die Textil- und Modebranche getroffen: Die Energiekrise im vergangenen Jahr, dann die starke Inflation - das habe die Konsumlaune der Menschen erheblich gedämpft, sagt Taiki Murai. "Man spart da offenbar auch bei der Kleidung."

Online-Shopping: Konkurrent Temu | Bildquelle: picture alliance / Markus Mainka

Hinzu komme die Konkurrenz durch den Onlinehandel. Zwar verkaufen auch Esprit, Peek&Cloppenburg und viele andere ihre Artikel im Internet - doch da treten sie mittlerweile gegen Billiganbieter meist aus Asien an - Shein oder Temu zum Beispiel - die Mode zu unschlagbar günstigen Preisen anbieten und aggressiv Werbung machen.

Rund eine Milliarde Bekleidungsstücke und Schuhe hätten Verbraucher in Deutschland 2023 bei außereuropäischen Anbietern und Plattformen wie Shein und Temu gekauft, meldete der Handelsverband BTE vergangene Woche.

Kann die Landesregierung helfen?

Als im Mai der Duisburger Stahlhersteller Thyssenkrupp Steel ankündigte, seine Produktion deutlich zu reduzieren und Arbeitsplätze abzubauen, reagierte NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) "enttäuscht" und appellierte an den Konzern, "für die Betroffenen faire und tragfähige Lösungen zu finden".

Als Ursache für den Abbau nannte Neubaur eine Überproduktion von Stahl weltweit seit Jahren, jetzt gepaart mit einem Nachfragerückgang aufgrund der weltweit eingetrübten Wirtschaftslage.

Das Ministerium erklärte auf WDR-Anfrage, dass man "mit allen in NRW vertretenen Branchen im ständigen Austausch" stehe. "In einzelnen Krisen- oder Sanierungsfällen erfolgt eine Betreuung  - und wo es möglich ist auch Hilfestellung", heißt es. "Hier sind wir auf eine Ansprache durch das Unternehmen selbst, seine Finanzierenden oder die Arbeitnehmendenseite angewiesen."

Möglich seien dann Finanzierungshilfen wie Förderkredite und Bürgschaften - wenn der Hilferuf rechtzeitig komme. "In der Insolvenz sind staatliche Hilfen aus beihilferechtlichen Gründen nicht möglich."

Entscheidend sei in jedem Fall, dass die Geschäftsmodelle der Unternehmen tragfähig sind. "Förderkredite und staatliche Bürgschaften können nicht die Bonität eines Unternehmens oder den nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens ersetzen."

Unsere Quellen:

  • NRW-Wirtschaftsministerium
  • NRW.BANK.ifo-Geschäftsklima
  • Handelsverband BTE
  • Unternehmer.NRW
  • Statistisches Bundesamt
  • Homepage Normenkontrollrat