Ministerium nennt Vogelgrippe eine "Katastrophe"

Stand: 04.01.2023, 17:54 Uhr

Im Dezember wurde an elf Orten in NRW die Vogelgrippe nachgewiesen. Hunderttausende Tiere mussten getötet werden. Das Landwirtschaftsministerium spricht von einem endemischen Zustand - das heißt: Das Virus ist überall.

Von Niklas SchenkNiklas Schenk

Dr. Silvia Heesen ist keine Frau, die lange um den heißen Brei herumredet. Die Referatsleiterin für Tierschutz und Tierseuchenbekämpfung im NRW-Landwirtschaftsministerium nennt die aktuelle Vogelgrippe-Situation eine "Katastrophe" und eine "riesige Seuche". Für sie ist klar: "Wir sprechen in Europa seit November von einer endemischen Situation."

Wildgänse fliegen am Himmel, während sich im Hintergrund ein Windrad dreht.

Am Niederrhein rasten viele Wildgänse

Überall in Europa grassiert das Virus, in NRW besonders schlimm am Niederrhein und in Westfalen, wo es viele Geflügelhalter und viele rastende Wildvögel gibt. Denn es sind vor allem die Wildvögel, die das Virus einschleppen. "Das ist eine riesige Gefahr für unseren Hausgeflügelbestand, weil die darüber infiziert werden. Da reicht ein Kothaufen, der über den Schuh in den Stall eingetragen wird."

Große Betriebe, aber auch Hobbyhalter sind betroffen

Betroffen sind und waren in NRW große Betriebe, aber auch kleine Ställe von Hobbyhaltern. Viele Halter haben sich das Virus anscheinend - neben der ohnehin schon großen Gefahr über Wildvögel - auch noch selbst eingeschleppt. Indem sie auf Tierausstellungen waren oder Tiere eingekauft haben, die ungetestet waren.

Ist ein Stall betroffen, müssen oft zehntausende Hühner oder Puten getötet werden. Insgesamt geht Silvia Heesen von einer sechsstelligen Zahl an Tieren aus, die 2022 getötet werden mussten. Die wirtschaftlichen Folgen der Endemie seien noch nicht absehbar. Für getötete Tiere gibt es eine Entschädigung über die Tierseuchenkasse - hier geht das Land NRW davon aus, dass das eingeplante Budget bei weitem nicht reichen wird.

Wirtschaftliche Folgen kaum absehbar - Folgeprobleme bleiben

Nicht entschädigt werden aber die sogenannten Folgeprobleme. Es wird beispielsweise nicht die Zeit entschädigt, die der Landwirt braucht, bis er wieder eine schlachtreife Pute im Stall hat. Oder die weggefallenen Einnahmen aus dem Eierverkauf.

Silvia Heesen betont aber, was das Land schon alles unternimmt: indem es die Laborkosten dafür übernimmt, wenn neue Tiere vor dem Kauf auf das Geflügelpestvirus getestet werden; oder indem es mit der Branche eine Selbstverpflichtung geschlossen hat, stärker auf Hygieneregeln zu achten.

Außerdem sollte niemand eine Ausstellungen besuchen, wer selbst Geflügel hält. "Aber solch ein aggressives Virus einzudämmen, wird sehr schwierig", sagt die Expertin für Tierschutz. Sie hofft auch auf flächendeckende Impfungen - für die seien fast alle Landwirte in NRW, aber die EU sträubt sich bisher noch dagegen.

Im Tierpark in Weeze konnten viele Tiere freigetestet werden

Auch im Tierpark in Weeze hat die Vogelgrippe zuletzt zugeschlagen. 15 Vögel mussten getötet werden, darunter Gänse und Schwäne. Da es in dem kleinen Tierpark aber seltene Vogelarten gibt, griff eine Sonderregelung nach europäischem Recht. Anders als sonst in der Industrie üblich, mussten nicht alle Vögel direkt getötet werden, sondern wurden mehrfach getestet.

"Man nimmt bei Vögeln mit ihren Schnabeln dann Proben, es hilft nichts", erzählt Ruth Keuken, die Pressesprecherin vom Kreis Kleve, der die Proben zusammen mit dem Tierpark zuletzt entnommen hatte. Für die Tiere gab es deshalb mehrere Abstriche - ganz ähnlich, wie es viele Menschen seit Jahren durch die Corona-Pandemie kennen. "Das erfordert viel Sachkenntnis, um das schonend bei den Tieren zu machen. Aber wir haben vor Weihnachten getestet und gestern nochmal, da waren alle Tests negativ", freut sich Keuken.

Keine Entwarnung: Vogelgrippe kann immer wieder auftreten

Der Tierpark darf deshalb bald wieder öffnen. Entwarnung möchte Keuken aber auch in Kleve nicht geben. "Das ist leider das Wesen der Geflügelpest, dass sie morgen schon wieder auftreten kann", sagt Keuken. Auch in Kleve sei das Virus längst endemisch. Früher hätte es mehrere Winter in Folge gegeben ohne eine einzige Infektion. "Das hat sich völlig verändert. Seit einigen Jahren gibt es immer früher Fälle. Die Virussaison beginnt eher, 2022 schon im Oktober und endet praktisch nie."

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