Cannabis, Heroin, Kokain - Drogenkonsum in Gefängnissen in NRW ist ein Problem, das offenbar kaum in den Griff zu bekommen ist. Dabei weden immer häufiger auch synthetische Drogen entdeckt, die zu den sogenannten "Neuen psychoaktiven Substanzen" (NPS) zählen. Laut Justizministerium NRW gab es im ersten Halbjahr dieses Jahres schon mehr solcher Funde als im gesamten Jahr 2023.
NPS sind praktisch unsichtbar und geruchlos. Sie können auf Papier geträufelt und so zum Beispiel mit Notizblöcken ins Gefängnis geschmuggelt werden.
Wischproben an Besucherhänden
Das Ministerium will dagegen nun einen Drogenscanner einsetzen. In einer Art Pilotprojekt soll ein solches Gerät in der JVA Rheinbach an den Start gehen. Ähnlich wie beim Sicherheitscheck am Flughafen nehmen dann JVA-Mitarbeiter mittels eines Teststreifens Wischproben, die innerhalb von Sekunden von dem Detektor ausgewertet werden. Der Scanner ist mit einer Datenbank der Justiz in Rheinland-Pfalz gekoppelt, wo das Ergebnis mit zahlreichen bislang bekannten NPS abgeglichen wird.
Gescannt werden könnten dann zum Beispiel Postsendungen, Besucherhände oder andere Gegenstände, die auf dem Weg zu einem Gefangenen sind, sagte ein Sprecher des Justizministeriums dem WDR.
Zusammensetzung ändert sich ständig
Neue psychoaktive Substanzen sind sogenannte Designerdrogen, die aus Inhaltsstoffen zusammengesetzt sind, die im einzelnen nicht ausdrücklich verboten sind. Sie werden deshalb auch "Legal Highs" genannt. Die Schwierigkeit bei der Verfolgung von NPS: Die Produzenten variieren die chemische Formel regelmäßig. Wenn einzelne Stoffe unter Strafe gestellt werden, reagiert der Markt sofort mit Rezepturänderungen. In der Datenbank in Rheinland-Pfalz werden daher sämtliche bislang bekannten Zusammensetzungen zum schnellen Abgleich gespeichert.
NPS können geraucht, geschluckt oder als Tee getrunken werden. Ihre Wirkung reicht von aufputschend über halluzinogen bis beruhigend. Mögliche Nebenwirkungen sind unter anderem Schweißausbrüche, Herzrasen, Muskelkrämpfe, Wahnvorstellungen.
Genaue Aussagen über Verbreitung, Kriminalität, Häufigkeit von Suchterkrankungen und Todesfälle zu machen, sei bislang kaum möglich, sagt die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen. In Deutschland seien NPS erst ab 2008 relevant geworden – mit dem Aufkommen von "Spice", einer Mischung aus getrockneten Kräutern und synthetischen Cannabinoiden. Belastbare Erfahrungen im suchtmedizinischen Bereich fehlten bislang, die Akut- und Langzeitrisiken von NPS seien daher unkalkulierbar.
Drogen im Knast: "Kernproblem"
Etwa 20 Prozent der neu aufgenommenen Häftlinge in NRW-Gefängnissen seien drogenabhängig, sagt der Sprecher des Justizministeriums. Im Knast versuche man mittels entsprechender Programme, "das Problem in den Griff zu bekommen". Im Februar hatte das Justizministerium einen Bericht veröffentlicht, der Drogenhandel und Drogenkonsum als "ein Kernproblem des Justizvollzugs" beschrieb. Die Bekämpfung von Drogenmissbrauch innerhalb der JVA sei "Tagesgeschäft".
NPS bekommen dabei mittlerweile zunehmend Bedeutung: Bei der Gesamtzahl der Drogenfunde in NRW-Gefängnissen im ersten Halbjahr lagen die synthetischen Drogen auf Platz zwei. Nur Cannabis fand man öfter - 323 Mal. Opioide entdeckte man laut Ministerium 63 Mal, Amphetamine 43 Mal, Psychopharmaka 31 Mal und Kokain 26 Mal.
In einer früheren Version dieses Textes hatten wir exakte Zahlen zu den Drogenfunden genannt, die auf Angaben des Justizministeriums beruhten. Die hat das Ministerium inzwischen aber zurückgezogen und eine neue Auswertung angekündigt. Deswegen haben wir den Beitrag geändert.
Unsere Quelle:
- Justizministerium NRW