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Sexualisierte Gewalt im Netz: Experten fordern mehr Hilfen

Stand: 17.03.2023, 17:02 Uhr

Die SPD im Landtag will sexualisierte Gewalt im Internet stärker bekämpfen. Bei einer Anhörung im Landtag machten Experten deutlich, dass in NRW noch einiger Nachholbedarf besteht.

Von Peter Hild

Akteure besser vernetzen, mehr Sensibilisierungs- und Aufklärungsarbeit, besser geschulte Lehrkräfte und Polizisten – die Liste von Forderungen seitens der SPD-Landtagsfraktion, um sexualisierte Gewalt im Internet besser zu bekämpfen, ist lang.

Jedes vierte Kind ist laut Landesmedienanstalt bereits Opfer von Cyber-Grooming geworden - wurde also von einem Erwachsenen im Netz angesprochen, um einen sexuellen Kontakt anzubahnen. Sexualisierte Gewalt im Internet ist auch in Nordrhein-Westfalen ein verbreitetes Phänomen.

Im Laufe einer gut dreistündigen Expertenanhörung am Freitag zeigte sich, dass sich in NRW schon einiges getan hat, aber auch noch vieles verbessert werden muss.

Mehrere hundert neue Fälle - pro Woche

Das Personal der Ermittlungsstellen etwa im Bereich Kindesmissbrauch wurde in den vergangenen Jahren verachtfacht, berichtete Sven Schneider vom Landeskriminalamt. Doch die Belastung sei gleichbleibend hoch, weil auch deutlich mehr Fälle gemeldet würden. Aktuell sind es mehrere hundert pro Woche.

Die Ermittler kämen kaum hinter her, sagte Schneider und forderte entsprechende Gesetzesänderungen: „Wir müssen die Provider dazu bekommen, dass sie die Verantwortung übernehmen, die sie für die digitalen Netze haben. Wir müssen die Strafverfolgungsbehörden und die Justiz personell und technisch so aufstellen, dass sie dem Massenphänomen digitale Gewalt auch begegnen können.“ Dazu zählen für den Ermittler auch die Speicherung von IP-Adressen bis zu sechs Monate lang, um Täterinnen und Täter ausfindig machen zu können.

Mehr Bewusstsein und Anlaufstellen für Betroffene

Digitale Gewalt als solche auf Behördenseite anzuerkennen und auch ernstzunehmen, mahnte Josephine Ballon von der Organisation "HateAid" an, die Opfer von digitaler Gewalt berät. Viele Betroffene zögen sich aus den sozialen Medien und dem öffentlichen Diskurs zurück.

Mehr solcher niedrigschwelliger Anlaufstellen für Betroffene braucht es auch in NRW, darin schienen sich alle Seiten einig. Die Landesanstalt für Medien setzt darauf, die Medienkompetenz von jungen Menschen aber auch Eltern zu stärken: über Elternabende oder Schulprojekte wie zum Beispiel den Medienscouts.

Vieles könne noch besser laufen, vor allem in der Prävention, meint Mechthild Appelhoff von der Landesmedienanstalt: „Wir müssen nochmal mehr Fantasie dabei entwickeln, weil wir feststellen, dass es auch Sinn macht, natürlich insbesondere die Vernetzung bis hin auf die lokale Ebene zu fördern, um die Menschen vor Ort noch besser zu erreichen."

KI-Tool spürt Rechtsverstöße im Netz auf

Die Landesmedienanstalt NRW hat vor zwei Jahren ein KI-Tool entwickelt, das inzwischen fast alle Landesmedienanstalten nutzen, um Rechtsverstöße im Netz aufzuspüren und diese Verdachtsfälle an das Bundeskriminalamt zur weiteren Überprüfung zu melden. Das Tool könne heute 10.000 Internetseiten pro Tag überprüfen, ein deutlicher Fortschritt für die Medienaufsicht, so Appelhoff.

Auch wenn die NRW-Polizei nach eigener Aussage ihre Aus- und Fortbildung stetig auf die Entwicklungen im Bereich digitaler Gewalt anpasst – personell und in Sachen digitaler Präsenz gibt es nach wie vor einen großen Nachholbedarf, gerade auch um für Betroffene vertrauenswürdiger Ansprechpartner zu sein und ein größeres Sicherheitsgefühl im Netz zu vermitteln.