Im aktuellen Krisenumfeld von Corona, Ukrainekrieg und Klimawandel steigt die Zahl der Anfragen bei der NRW-Sektenberatung. Das berichtet die Leiterin von Sekten-Info NRW, Sabine Riede, im WDR. Wobei sie gleich einordnet: "Wir sind kein Sekten-TÜV." Heute gehe es eher um weltanschauliche Dinge, um Psychogruppen und Coachings. Das habe nichts mit Religion zu tun, aber auch danach fühlten sich Menschen wie "gehirngewaschen", so Riede.
Die Anfragen beim Verein seien mit der Corona-Pandemie "sehr, sehr gestiegen". In seinem letzten Jahresbericht von 2021 verzeichnet der vom NRW-Familienministerium geförderte Verein einen starken Anstieg der Beratungsfälle von 1.078 im Vorjahr auf 1.352. Im laufenden Jahr nehme die Anzahl der Anfragen laut Riede tendenziell weiter zu.
Anfragen zu Verschwörungstheorien mit starker Zunahme
Den größten Bereich machte laut letztem Jahresbericht die Kategorie "Psychogruppen" aus. Dazu zählt die Beratungsstelle "Verschwörungstheorien, unseriöse Coaching Angebote" sowie die Reichsbürgerbewegung. Insbesondere die Zahl der Anfragen im Zusammenhang mit Verschwörungserzählungen sei im Vergleich zum Vorjahr um 50 Prozent gestiegen.
Kernanliegen des Vereins ist immer "zu erkennen, ab wann eine Gruppe gefährlich werden kann", so Riede. Ein erster Hinweis sei immer, wenn es ein Schwarz-Weiß-Denken gebe und Menschen, die anders denken, bekämpft werden sollen. Ein zweites Alarmsignal ist für das Team der Beratungsstelle, "wenn Familien auseinandergerissen werden, Kinder von der Schule ferngehalten und nicht zum Kinderarzt gebracht werden".
Sekten-Info-NRW-Team, Sabine Riede (zweite von links)
Sekten-Info NRW arbeite zurzeit mit fünf Beraterinnen und Beratern und decke Anfragen aus ganz NRW ab. Wenn der Druck durch die Krisensituation so bleibe, dann müsse das Personal aufgestockt werden. Dafür sei der Verein bereits mit dem sie fördernden NRW-Familienministerium "in guten Gesprächen", so Leiterin Riede.
Schamanische Angebote gegen die "böse Welt"
Sehr beliebt seien derzeit etwa schamanische Angebote, die mit indianischen Amuletten, Bildern, Symbolen und Musik Stabilität gegen die "böse Welt" draußen versprächen, berichtete Riede zuvor der Deutschen Presse Agentur. Riede nennt das Beispiel eines Mannes, dessen vorher gut integrierter Bruder in eine schamanische Lebensgemeinschaft in NRW gerutscht sein soll, den Namen gewechselt habe, sich als "Krieger von einem anderen Planeten" begriffen und den Kontakt zu seiner Tochter abgebrochen habe.
Der Verein erhalte unter anderem viele Anfragen zu einer Frau, die sich als "Indianerin" präsentiere und behauptet, "hellsichtig" zu sein und "die geistige Welt zu hören". Gegen Honorar bietet die Frau etwa "Jenseitskontakt" und die "energetische Reinigung" der Wohnung an. Auf Wunsch gehört auch Kommunikation mit den Tieren der Auftraggeber zum Programm.
Die Sucht nach alternativer Hilfe
90 Prozent der Kunden seien Frauen, sagt Riede. "Manche werden regelrecht süchtig danach." Einige hätten in kurzer Zeit 30- bis 40.000 Euro dafür ausgegeben. Angesichts der Isolation durch verbreitetes Homeoffice in vielen Büros suchten vor allem junge Berufstätige Coachings als "Hilfe zum Durchhalten", sagt Riede. Neben vielen seriösen Angeboten gebe es dabei auch unseriöse Veranstalter, die etwa für ein Internet-Coaching 400 Euro pro Stunde verlangten. Ein Alarmsignal sei immer, wenn Coaches Lösungen für ganz verschiedene Probleme auf einmal anböten.
Die Beratungsangebote von Sekten-Info NRW
Neben der persönlichen Beratung bietet der Verein auf seiner Website auch verschiedene Faltblätter, die über Themen wie Scientology, Salafismus, Islamistischen Extremismus/Jihadismus informieren, sowie Checklisten, die bei der Beurteilung helfen, ob es sich um eine Sekte, ein seriöses Coaching-Angebot handelt und um alternative Heilmethoden einzuschätzen.