Junger Mann auf Kreuzung

Schulverweigerer: Der lange Weg zu Abschluss und Ausbildung

Stand: 24.03.2023, 15:41 Uhr

Danilo, Lara und Jerome: Drei Schulabbrecher erzählen uns ihre Geschichte. Sie stehen für über 10 Tausend Jugendliche, die NRWs Schulen ohne Abschluss verlassen. Hilfe gibt es in speziellen Projekten.

Von Martina Koch

Schulverweigerer Danilo Remfeld im Interview mit WDR

Danilo Remfeld

Danilo Remfeld aus Gelsenkirchen ist ohne seine leiblichen Eltern aufgewachsen. Vom dritten Lebensjahr an lebt er in Pflegefamilien oder Wohngruppen – „26 oder mehr waren das“, erzählt er.  Er habe deshalb viele Schulwechsel hinter sich, nie Anschluss gefunden und sich nie sonderlich auf den Unterricht konzentrieren können. Und so hat er die Schule ohne Abschluss verlassen.

Mobbing in der Schule

Schulverweigererin Lara Neu im Interview mit WDR

Lara Neu

Lara Neu war als Kind eher schüchtern. Mit 12 schwänzte sie zum ersten Mal die Schule. Ihre Eltern haben nicht bemerkt, wie sehr sie gelitten hat. “Ich wurde aufs Tiefste beleidigt, ich wurde geschlagen, ich wurde getreten“, beschreibt Lara das Mobbing an ihren Schulen. Auch Schulwechsel helfen nicht. Die Trennung ihrer Eltern macht ihr auch zu schaffen. Sie bekommt Depressionen, geht monatelang nicht zur Schule und macht Therapien, aber keinen Schulabschluss.

Probleme in der Familie

Schulverweigerer Jerome Langhans im Interview mit WDR

Jerome Langhans

Jerome Langhans erlebt im Elternhaus Gewalt zwischen seinen Eltern. Die Familie hat wenig Geld. Das bekommt er in der Schule zu spüren. “Ich hatte auch nicht die teuersten Klamotten und Übergewicht.“ Da sei er gemobbt wurden und schwänzt zwei Jahre den Unterricht. Auch ihm kann die Schule nicht helfen, er wird in einer Klinik behandelt und macht keinen Abschluss.

Förderkorb Gelsenkirchen gibt Jugendlichen Perspektive

Lara ist jetzt 18, Jerome 20 und Danilo 23. Gerade haben sie ihren ersten Schulabschluss geschafft, den Hauptschulabschluss nach Klasse neun. Ein Jahr lang hatten sie beim Förderkorb der Katholischen Jugendsozialarbeit (KJS) in Gelsenkirchen die Schulbank gedrückt.

Der Förderkorb hilft seit mehr als 30 Jahren jungen Menschen in Gelsenkirchen beim Übergang von der Schule in den Beruf. Geld gibts dafür aus Töpfen des Bundes, des Landes und der Kommune. Damit werden benachteiligte Jugendliche ganz individuell unterstützt. Viele würden sonst durchs Raster fallen, sagt Leiter Holger Ott.

Es ist ihre zweite Chance wieder da anzuknüpfen wo das "System Schule" sie verloren hatte. Hier werde man nicht fallen gelassen, sagt Danilo. Deshalb habe er es geschafft. Auch Lara und Jerome hat geholfen, dass alle ähnliche Probleme hätten. Niemand werde hier ausgegrenzt.

Betroffene Jugendliche haben keine Lobby

Nach dem Schulabschluss arbeiten Danilo und Jerome jetzt in der Werkstatt des Förderkorbs und bauen kleine Wohnholzhäuser. Lara steht in der Küche der Einrichtung und kocht mit das Mittagessen. Das mache Spaß, aber die Tagesstruktur zu behalten ist allen drei noch wichtiger.

Für sie war der Förderkorb die Rettung. Doch in diesem Jahr fehlen der Einrichtung durch gesetzliche Änderungen 20 Prozent der Fördermittel.

Holger Ott, Chef des Förderkorbs

Chef des Förderkorbs: Holger Ott

Förderkorb-Leiter Holger Ott ist frustriert, dass es keine gesicherte Finanzierung gibt. „Die Jugendlichen, die wir hier betreuen, haben keine Lobby“, sagt er. Und den Hauptschulabschluss könne man vorerst auch nicht weiter anbieten, so Ott. Dazu würden richtig ausgebildete Lehrkräfte fehlen, die die Voraussetzung für den Kurs sind. Doch der Förderkorb hat nur Seiteneinsteiger.

Konkrete Pläne für die Zukunft

Danilo will im Sommer mit dem nächsten Schulabschluss an der Volkshochschule weitermachen. Er hofft, dafür stabil genug zu sein. Denn sein Traum ist es, Unteroffizier bei der Bundeswehr zu werden. Lara und Jerome wollen an einem Bochumer Berufskolleg den Realschulabschluss mit Ausbildung zum Sozialassistenten machen.

Bei Problemen, könnten sie sich gemeinsam durchkämpfen. Halten sie durch, können sie Erzieher oder Altenpflegerin werden - und die werden dringend gebraucht.

Über dieses Thema berichtet der WDR unter anderem in seiner Fernsehsendung Westpol am 26.03.2023 und im Hörfunk im Landesmagazin Westblick auf WDR5.