WDR-Umfrage: Zu wenige Schulsozialarbeiter in NRWs Kommunen
Stand: 10.04.2022, 08:00 Uhr
Eine WDR-Umfrage zeigt ernüchternde Zahlen zur Schulsozialarbeit. In einigen Kommunen ist für mehr als 1000 Schüler gerade mal ein Sozialarbeiter im Einsatz. Städte und Gemeinden fordern mehr Unterstützung von der Landesregierung.
Von Anne Bielefeld
Tanja Morning ist Schulsozialarbeiterin in Kamen, einer mittelgroße Stadt im östlichen Ruhrgebiet. Eigentlich soll sie für die Kinder und Jugendlichen in der Fridtjof Nansen Realschule da sein. Ein paar andere Schulen in der Umgebung haben aber keinen Schulsozialarbeiter. Deswegen ist sie an fünf Schulen im Einsatz. Dabei sollen es eigentlich nie mehr als zwei sein, empfehlen Experten.
Die Herausforderung: allen gerecht zu werden
Sozialarbeiterin Tanja Morning
Die Kinder und Jugendlichen vertrauen Tanja Morning viel an. Ihre Sprechstunden sind gut besucht. Es sind Probleme mit Mitschülern, Lehrern oder den Eltern. Auch bei Drogenmissbrauch oder Gewalt wird die 46-Jährige um Rat gefragt. "Manchmal denke ich, ich müsste mich zweiteilen, damit ich hier und da gleichzeitig sein kann. Ich versuche, den Job so gut wie möglich zu machen," sagt sie.
Corona-Pandemie zeigt erhöhten Bedarf
Durch die reduzierten sozialen Kontakte in den letzten Monaten haben einige Schüler Probleme Konflikte verbal zu lösen, sagt Tanja Morning. Die Folge: es gibt mehr Streit und Prügeleien. Von zunehmender Gewalt berichten auch viele andere Schulen in NRW. Die Lehrkräfte sind ausgelastet, Zeit für die Probleme und Sorgen der Kinder und Jugendlichen bleibt da kaum.
Bürgermeisterin mit begrenzten Möglichkeiten
In Kamen ist gerade mal ein Sozialarbeiter für knapp 780 Schüler zuständig. Bürgermeisterin Elke Kappen (SPD) hätte gerne mindestens doppelt so viele. Aber der Haushalt gibt das nicht her. Zwar stellt das Land Fördergelder bereit. Die Kommunen müssen dafür aber einen Eigenanteil leisten. "Kommunen sind unterfinanziert", sagt Elke Kappen. "Die Grundmenge ist nicht da für die Aufgaben, die wir haben." Kita-Ausbau, OGS-Rechtsanspruch und vieles mehr müsse auch bezahlt werden.
Schulsozialarbeit kommunal ungleich verteilt
Das berichten auch viele andere Kommunen, die bei einer WDR-Umfrage mitgemacht haben: Angefragt wurden alle kreisfreien Städte und die größten Städte der Kreise, rund 80 Prozent haben geantwortet. Bei der Anzahl von Schulsozialarbeitern schneiden Ahlen, Lennestadt und Leverkusen am schlechtesten ab. Hier gibt es für 1000 Schüler und mehr nur einen Sozialarbeiter. Mit eingerechnet sind Stellen, die ausschließlich vom Land finanziert werden. Am besten ist die Lage in Minden, Mülheim, Münster und Herne. Ein Schulsozialarbeiter ist hier für knapp 400 Schüler zuständig. Erziehungswissenschaftler fordern jedoch einen Betreuungsschlüssel von 1:150; nur dann könne Schulsozialarbeit funktionieren.
Haushaltslage entscheidend für Anzahl von Schulsozialarbeitern
Siham El-Maimouni im Gespräch mit Bürgermeistern Elke Kappen
Kamens Bürgermeisterin Elke Kappen (SPD) ärgert sich schon lange darüber, dass die Finanzkraft einer Kommune ausschlaggebend für die Anzahl von Schulsozialarbeitern ist. Ähnlich äußern sich in der WDR-Umfrage auch andere Städte und Gemeinden. Die Landesregierung müsse da künftig mehr Verantwortung übernehmen und Schulsozialarbeit für alle Kommunen gleich verlässlich finanzieren.
Zeitverträge schrecken Sozialarbeiter ab
Sozialarbeiterin Tanja Morning ist froh, dass ihr Vertrag nach neun Jahren nun endlich entfristet worden ist. Auch das ist ein Problem in vielen Kommunen: Schulsozialarbeiter werden häufig nur befristet eingestellt, weil die Finanzlage nicht verlässlich ist. Das macht den Beruf nicht unbedingt attraktiver. Dabei ist der Bedarf so groß.