"Besserverdiener-Koalition": Reaktionen auf schwarz-grünen Koalitionsvertrag
Stand: 23.06.2022, 17:33 Uhr
CDU und Grüne sind mit ihrem Koalitionsvertrag natürlich zufrieden. Doch wie sehen die anderen das? Die Reaktionen fallen ganz unterschiedlich aus - zwischen Enttäuschung und Zustimmung.
Von Christian Wolf
Nach drei Wochen Verhandlungen haben CDU und Grüne am Donnerstag ihren Koalitionsvertrag für NRW vorgelegt. Die beiden Parteichefs Hendrik Wüst und Mona Neubaur lobten das Vertragswerk und zeigten sich optimistisch, damit in den kommenden fünf Jahren regieren zu können. Doch erwartungsgemäß sieht das nicht jeder so.
Die Opposition
SPD-Oppositionsführer Thomas Kutschaty sprach am Donnerstag von einer "Besserverdiener-Koalition, die nicht alle Menschen im Blick hat". Die SPD erwarte, dass die künftige Landesregierung eine Politik mache, von der alle in NRW profitierten. Da sei nach der Pressekonferenz aber "Skepsis geboten". "Kein Wort zu steigenden Mieten, kein Wort zu niederschwelliger Gesundheitsversorgung - wichtige soziale Themen haben für Schwarz-Grün offenbar wenig Priorität", so Kutschaty. Zudem seien noch viele Fragen offen: "Wann fällt die Abstands-Regel bei Windkraft? Wie sollen die Versprechen finanziert werden?"
Für die FDP bedeutet der Regierungswechsel, dass sie nun in die Opposition muss. Der neue Fraktionschef Henning Höne nutzt die neue Rolle und bezeichnete den Koalitionsvertrag als "Stillstands-Paket". Viele Vorhaben blieben vage und ungelöste Konflikte würden in die Zukunft verschoben. "Mit diesem butterweichen Vertrag wird die Koalition den großen Herausforderungen der Zukunft unseres Landes nicht gerecht", so Höne. Insgesamt hätten die Grünen dem Vertrag einen "quietsch-grünen Stempel aufgedrückt".
Die Wirtschaft
Deutlich positiver sind die Reaktionen aus der Wirtschaft. So erklärte Andreas Ehlert, Präsident von Handwerk.NRW, der Koalitionsvertrag stehe für "Verantwortung, Realismus und Nachhaltigkeit". "Er überzeugt, weil Nordrhein-Westfalen damit so klar wie noch nie auf Handwerk, Mittelstand, Berufsbildung und Innovation zur Lösung der großen Zukunftsfragen setzt." Aus der Vereinbarung lasse sich in den kommenden fünf Jahren "viel Gutes machen".
Etwas zurückhaltender äußerte sich Ralf Stoffels von der IHK NRW. Angesichts der derzeitigen Schwierigkeiten sei es "gut", dass sich die neue Landesregierung "so schnell gefunden hat und die großen Herausforderungen annimmt". Der Vertrag enthalte viele Ansatzpunkte, "die wir uns nun in Ruhe anschauen werden".
Die Lehrer
Beim Verband "lehrer nrw" wird festgehalten, dass mehrere zentrale Forderungen aufgegriffen würden - unter anderem das Ende der unterschiedlichen Bezahlung von Lehrern. Aber noch herrscht Skepsis: "Papier ist bekanntlich geduldig. Wir werden die künftige schwarz-grüne Landesregierung nicht an ihren Ankündigungen, sondern an ihren Taten messen", sagte der Vorsitzende Sven Christoffer.
Die Lehrergewerkschaft GEW hält fest: "Die Überschriften stimmen, viele unserer Forderungen werden aufgegriffen. Absichtserklärungen allein sind jedoch noch keine gute Politik." Wichtig sei, was die neue Landesregierung konkret tue, um die "Mangelverwaltung" in den Bildungseinrichtungen zu beenden, so die Landesvorsitzende Ayla Celik.
Die Umweltschützer
Der Naturschutzbund NABU zeigt sich "maßlos enttäuscht". Die Bewertung des Vertrages falle insgesamt "deutlich negativ" aus. Vor allem, dass die Bereiche Land- und Forstwirtschaft sowie Umwelt und Naturschutz auf zwei Ministerien aufgeteilt werden, sei "rückwärtsgewandt und stürzt das Land im Natur- und Artenschutz weiter in die Krise", so die NRW-Vorsitzende Heide Naderer. Es handle sich um ein "enttäuschendes Verhandlungsergebnis" für die Grünen.
Die Finanzleute
Der Bund der Steuerzahler ist mit Blick auf die Haushalts- und Steuerpolitik unzufrieden. Neue Schulden in allen möglichen Extra-Haushalten zu "verstecken", sei "das Gegenteil von nachhaltig", sagte der Landesvorsitzende Rik Steinheuer. "Es mangelt an konkreten Einsparansätzen. Da ist noch viel Luft nach oben."