Reporter Henrik Hübschen berichtet zur Rahmedetalbrücke

Aktuelle Stunde 20.11.2023 Verfügbar bis 20.11.2025 WDR

"Absolut fassungslos": So kaputt war die Rahmedetalbrücke wirklich

Stand: 21.11.2023, 07:42 Uhr

Im Untersuchungsausschuss zur Rahmedetalbrücke wurde am Montag deutlich, dass das Bauwerk noch viel maroder war als bislang bekannt. Selbst die Abgeordneten waren überrascht.

Von Christian Wolf

Zwar ist die marode Rahmedetalbrücke auf der Autobahn 45 inzwischen abgerissen und der Neubau hat begonnen, doch wie es zu dem Brücken-Desaster rund um Lüdenscheid kommen konnte, wird weiter politisch aufgearbeitet. Im NRW-Landtag läuft seit Monaten ein Untersuchungsausschuss. Am Montag kamen neue Details ans Licht, die auch die Abgeordneten teilweise sprachlos zurückließen.

Als Zeuge sagte ein Diplom-Bauingenieur aus, der die Brücke 2021 im Auftrag der Autobahn GmbH des Bundes näher unter die Lupe genommen hatte und dessen Ergebnisse zur plötzlichen Sperrung führten. Zunächst sei es nur um Beulen am Brückenwerk gegangen. Da die Standsicherheit wegen dieser Schäden nicht gewährleistet werden konnte, sei es zur Sperrung im Dezember 2021 gekommen.

"Schwerwiegende" Schäden

Daran anschließende, weitere Untersuchungen hätten noch viel gravierendere Schäden offenbart. So seien an einer Vielzahl an Stichproben Schweißnähte gerissen gewesen und "schwerwiegende" Korrosionsschäden entdeckt worden. Letzteres sei durch Wasserschäden entstanden. Dadurch sei die "Haupttragelast" der Brücke beschädigt gewesen. Auch Nieten seien durch die Korrosion fast weg gewesen. Das bedeutet: Wasser, das nicht ablaufen konnte und sich staute, beschädigte das Material und sorgte offenbar dafür, dass die Brücke kaputt ging.

Hendrik Hübschen zur Rahmede-Talbrücke

WDR Studios NRW 20.11.2023 04:25 Min. Verfügbar bis 27.11.2025 WDR Online


Jahrzehntealte Probleme

Der Bauingenieur sprach von "sehr schwerwiegenden Schäden". Die generelle Belastbarkeit der Brücke sei "sehr fraglich" gewesen. Auf die Nachfrage von Abgeordneten, wie schnell solche Schäden entstehen, sprach der Experte von Jahrzehnten. Schon 1975 sei erstmals ein Wasserschaden an der Brücke festgestellt worden. Auch habe es von Beginn an einen "unzureichenden" Korrosionsschutz gegeben.

Prüfungen blieben ohne Konsequenzen

Gordan Dudas, sitzt im dunklen Anzug in einem Sitzungssaal des Landtags, die Wände sind mit Holz getäfelt.

SPD-Abgeordneter Gordan Dudas

Dabei wurde die Rahmedetalbrücke, wie vorgeschrieben, regelmäßig überprüft. Am Montag sagte ein Bauingenieur aus, der 2005, 2011 und 2017 die Hauptprüfung für den Landesbetrieb Straßen.NRW durchgeführt hatte. Die Wasser- und Korrosionsschäden stellte auch er fest - doch daraus folgte offenbar nichts. So verwies der Mann darauf, dass er nur für die Prüfung zuständig gewesen sei und Empfehlungen für Instandsetzungen abgegeben habe. Ob darauf auch konkrete Arbeiten an der Brücke folgten, habe nicht in seinem Verantwortungsbereich gelegen. Dazu könne er nichts sagen. Ein entsprechendes Controlling sei erst nach den Vorgängen um die Rahmedetalbrücke eingeführt worden.

Auch ein weiterer Brückenprüfer, der noch 2020 das Bauwerk einer einfachen Prüfung unterzogen hatte, konnte nichts bewirken. So habe es "keine größeren Überraschungen" gegeben, die ein Handeln nötig gemacht hätten, sagte er. Es sei alles "vollkommen im üblichen Rahmen" gewesen. Zur Sperrung im Jahr drauf sagte er: "Ich war überrascht. Da hätte ich nicht mit gerechnet."

Überrascht waren am Montag auch die Abgeordneten im Untersuchungsausschuss. Der SPD-Parlamentarier Gordan Dudas, der auch aus Lüdenscheid kommt, sagte mit Blick auf die schwerwiegenden Schäden, er sei "absolut fassungslos". "Es ist wohl lediglich Glück gewesen, dass es nicht zu einem katastrophalen Ereignis bei der Brücke gekommen ist."

Unterlagen fehlen weiterhin

Zudem wurde deutlich, dass den Abgeordneten auch ein halbes Jahr nach dem Start des Untersuchungsausschusses noch immer nicht alle Akten und Unterlagen vorliegen. So war bis Montag ein Bericht des Ingenieursbüros an die Autobahn GmbH unbekannt, in dem im Januar 2022 ausführlich alle Schäden aufgelistet wurden. Die Abgeordneten kannten also bislang noch nicht das gesamte Ausmaß.

Die SPD kritisiert zudem, dass noch immer Unterlagen aus dem damals CDU-geführten Verkehrsministerium fehlen. "Niemand glaubt hier an einen Zufall", sagte Dudas. Der U-Ausschuss beschäftigt sich nämlich auch damit, warum 2017 ein bereits geplanter Neubau der Brücke verschoben wurde. Die SPD nimmt im Zuge dessen auch Ministerpräsident Hendrik Wüst ins Visier, der damals Verkehrsminister war.

Mehr Klarheit könnte es Ende Januar 2024 geben. Dann steht die nächste Sitzung des Untersuchungsausschusses an.