Landespolitik reagiert auf tödliche Polizei-Schüsse in Dortmund

Stand: 11.08.2022, 08:11 Uhr

Der Tod eines 16-Jährigen durch Polizeischüsse in Dortmund beschäftigt auch die Landespolitik. Eine Frage, die sich stellt: Wer sollte in einem solchen Fall die Ermittlungen übernehmen?

Auch innerhalb der NRW-Landtagsfraktionen herrscht Betroffenheit über die tödlichen Schüsse aus der Maschinenpistole eines Polizisten auf einen 16-Jährigen in Dortmund. Bei der Frage, ob es richtig ist, dass die benachbarte Recklinghäuser Polizeibehörde nun die Ermittlungen gegen den Dortmunder Kollegen aufnimmt, sehen Politiker Handlungsbedarf.

Grüne: Unabhängiger Polizeibeauftragter nötig

Bei der Polizei NRW gebe es seit mehreren Jahren klare Zuordnungen, welches Polizeipräsidium bei internen Ermittlungen zuständig ist, erklärt die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Verena Schäffer. "Das ist auch gut und richtig so", sagt sie, damit nicht dieselbe Behörde ermittle, in der der Vorfall geschehen ist. In diesem Fall sei Recklinghausen für die Behörde in Dortmund zuständig, das sei "automatisiert". Man könne darüber diskutieren, ob diese Zuordnung sinnvoll sei - aber nicht akut in diesem Fall.

Reul will Verfahren nicht ändern - noch nicht

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU)

Herbert Reul

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) erinnerte im Gespräch mit dem WDR daran, dass vor nicht allzulanger Zeit die Polizeibehörden noch gegen sich selbst ermitteln mussten, wenn es Vorwürfe gegen einzelne Beamte gab. "Das habe ich abgeschafft und gesagt: Es muss eine fremde Behörde sein." Forderungen, wegen möglicher Interessenkonflikte jetzt sofort die Ermittlungen in andere Hände zu legen, wies Reul zurück: "Da sollte auch kein Minister eingreifen und sagen, das machen wir jetzt mal anders."

Dass derzeit gleichzeitig die Dortmunder Polizeibehörde einen umstrittenen Fall aus Recklinghausen untersucht, während Recklinghausen im Fall der tödlichen Schüsse in Dortmund ermittelt, sei allerdings "unglücklich", räumte der Innenminister ein. Für die Zukunft müsse man darüber nachdenken, wie "man das Verfahren noch besser macht".

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In ihrem Koalitionsvertrag haben die Grünen mit der CDU verabredet, künftig einen unabhängigen Polizeibeauftragten am Landtag anzusiedeln und bewusst nicht im Innenministerium. Dieser könnte künftig auch in solchen Fällen wie dem Dortmunder Todesfall vermitteln. Der oder die Beauftragte könne eine Person aus Polizeikreisen oder auch von außerhalb sein, die der Landtag benennen würde.

Er oder sie soll aber nicht nur für polizeiinterne Anliegen zuständig sein, betont Schäffer. Bürgerinnen und Bürger sollen sich an diese Person wenden können. Der oder die Beauftragte solle Kritik aufnehmen, dafür sorgen, dass Beschwerden bearbeitet werden oder als Mediator eintreten. "Er kann aber nicht Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ersetzen", stellt Schäffer klar. Für die Einrichtung dieses Postens muss der Landtag allerdings erst noch ein Gesetzgebungsverfahren starten.

FDP: Recklinghäuser als Ermittler "unglücklich"

Der FDP-Sprecher für den NRW-Innenausschuss, Marc Lürbke, sagt, er sei optimistisch, dass der Dortmunder Fall lückenlos aufgeklärt werde. Dass aber jetzt die Polizei in Recklinghausen gegen einen Kollegen aus Dortmund ermittele, halte er für "unglücklich". Lürbke schlägt deshalb vor, grundsätzlich eine größere räumliche Trennung dieser einander zugewiesenen Kriminalhauptstellen festzulegen. So könne beispielsweise die Bielefelder gegen die Dortmunder Polizeibehörde ermitteln oder die Bonner gegen die Recklinghäuser.

Einen unabhängigen Polizeibeauftragten im Landtag hält Lürbke auch für sinnvoll. Dieser dürfe aber keine Ermittlungskompetenz haben - so plant es derzeit laut Grünen-Politikerin Schäffer auch die schwarz-grüne Regierungskoalition.

Erneute Demonstration gegen Polizeigewalt

Mehrere Menschen versammeln sich mit Schildern auf einem Platz in Dortmund, um zu protestieren

Hunderte demonstrieren gegen Polizeigewalt

Am Mittwochabend gab es in Dortmund erneut eine Demonstration aus dem linken Spektrum, auf der mehrere Hundert Teilnehmer gegen das Vorgehen der Polizei protestierten. Auf Plakaten hieß es "Das war Mord" und "Wer kontrolliert die Polizei?". Die Demonstranten vermuten, dass die Hautfarbe des Jungen ein Grund für das harte Vorgehen der Beamten war. Dafür gebe es aber bisher keine Hinweise, sagte Oberstaatsanwalt Dombert.

SPD will "unverzüglich" Informationen von Reul

Elisabeth Müller-Witt, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion, sagt, der Fall werfe viele Fragen auf: "Wie ist es zu der Gefahrensituation gekommen und welcher Anlass bestand, eine Maschinenpistole mitzuführen?" Die SPD erwarte dazu "unverzüglich" Informationen von Innenminister Herbert Reul (CDU). "Bisher liegen dem Parlament keinerlei Kenntnisse dazu vor."

Minister: Es wurde für die Beamten bedrohlich

Gegenüber dem WDR hatte Reul am Mittwoch weitere Details zum Ablauf des Einsatzes bekanntgegeben: Demnach hätten die Beamten zunächst versucht, den Jugendlichen zur Aufgabe zu bewegen. Als dies nicht gelungen sei, habe man zuerst mit Reizgas und dann mit einem Tasergerät versucht, ihn kampfunfähig zu machen und dann zu überwältigen. "Das hat nicht funktioniert", erklärte Reul, "er ist immer weiter auf die Polizisten, die sich verschanzt hatten, zugerannt". Als es für die Beamten bedrohlich wurde, seien dann die gezielten Schüsse abgegeben worden. Dass bei dem Einsatz eine Maschinenpistole dabei war, sei nichts Außergewöhnliches, sagte Reul weiter.

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