Politischer Aschermittwoch: Showlaufen der Populisten?

Aktuelle Stunde 14.02.2024 06:18 Min. UT Verfügbar bis 14.02.2026 WDR Von Sebastian Galle

Politischer Aschermittwoch in NRW: Ernste Töne statt Polemik

Stand: 14.02.2024, 18:50 Uhr

Deftiges Essen und ebenso deftige Reden gehören zum politischen Aschermittwoch dazu. Mittlerweile sind auch die Veranstaltungen der Landesverbände von CDU und SPD Tradition. Ein Stimmungsbild.

Von Christoph Ullrich Christoph Ullrich und Nadja Bascheck

Besonders in Bayern sind Unionspolitiker stolz auf ihre klaren Worte, die sie beim politischen Aschermittwoch loslassen. Doch auch in Nordrhein-Westfalen wird Dampf abgelassen. Der Aschermittwoch dient der eigenen Standortbestimmung und steht vor allem für politischen Streit, ganz ohne Blatt vorm Mund.

Im kleinen Örtchen Kirchveischede im Sauerland kamen am Mittwoch gut 600 CDU-Mitglieder in die Schützenhalle, um beim traditionellen Schlagabtausch bei Bier, Fisch und Blasmusik dabei zu sein. Fast parallel dazu lud am frühen Mittwochabend die SPD nach Schwerte in das Ausflugslokal "Freischütz" ein. FDP, Grüne und AfD hatten keine zentrale Veranstaltung in NRW geplant.

Am Aschermittwoch, da fängt die Arbeit an

WDR RheinBlick 16.02.2024 28:37 Min. Verfügbar bis 14.02.2029 WDR Online


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Wüst kritisiert Ampel-Regierung

Während der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) in Passau am Mittwochvormittag in seiner Aschermittwochsrede verbal gegen die Grünen schoss und Neuwahlen auf Bundesebene forderte, zeigte sich NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst deutlich gemäßigter.

Auch Wüst kritisierte die Politik der Ampel-Koalition, wobei er sich auf das Thema Migration fokussierte und benannte, was seiner Meinung nach schief läuft: Auch wenn nicht jeder das Recht auf Asyl in Deutschland habe, so müsse doch das Sterben im Mittelmeer aufhören. Punkte, die er ähnlich bereits beim CDU-Neujahrsempfang angeführt hatte.

Er warf der Ampel außerdem vor, dass sie weder Ohr noch Herz für den ländlichen Raum habe. Sie müsse ihre Ignoranz ablegen - sonst gebe es bald eine neue Bauernregel: "Wer den Menschen Mist erzählt, wird von ihnen abgewählt."

Ernste Worte statt Bierzeltpolemik

Als jemand dem Ministerpräsidenten ein Bier ans Rednerpult brachte, lachte er kurz auf und bedankte sich. Ansonsten blieb sein Tonfall ernst. In seiner Rede betonte er, wie wichtig die kommende Europawahl sei. Mit Blick auf die Pläne der AfD sagte er, sie wolle das Lebenswerk von Helmut Kohl zerstören.

Gegen Extremisten helfe nur gute Politik. Wüst warb deshalb erneut für eine "Allianz der Mitte". Von den langen und vollbesetzten Tischreihen kam immer wieder Applaus für die Worte des Ministerpräsidenten und am Ende Standing Ovations.

Etwas markiger fiel die Rede von CDU NRW-Generalsekretär Paul Ziemiak aus, der sich Wüst inhaltlich anschloss. Mit Blick auf den Pessimismus der jungen Generation, dem Ziemiak Optimismus entgegnen will: "Wir machen keine Politik für die letzte Generation, sondern für die kommende." Und Peter Liese, der erneut fürs Europaparlament kandidiert, lief sich schon mal warm für die Wahl im Juni und betonte, er wolle Klimaschutz und eine starke Wirtschaft vereinen. Wie Wüst, rief auch er die Leute zur Wahl auf.

Deutliche Worte bei der SPD gegen AfD und CDU

Bei der SPD gab es deutliche Kritik an Wüsts Werben für eine solche Allianz. Man finde die Idee an sich sinnvoll, sagte SPD-Landeschefin Sarah Philipp: "Die Allianz, die Wüst so großspurig angekündigt hat, richtet sich gar nicht an uns." Er wolle stattdessen lieber mit der Bundesregierung zusammenarbeiten, dabei spiele die Musik für Wüst am Rhein, so Philipp.

In den Reden ging es aber vor allem um die Gefahr durch den Rechtsextremismus. "Gegen Faschisten kämpft es sich am besten an der Seite von Sozialdemokraten", mit Blick auf die aktuellen Massen-Proteste. "Der parlamentarische Arm des Rechtsextremismus ist die AfD", sagte Philipps Vorredner Marc Herter. Der Oberbürgermeister von Hamm ist Vorsitzender des SPD-Bezirks Westliches Westfalen und offizieller Gastgeber im Freischütz.

Landtags-Fraktionschef Jochen Ott ging vor allem die CDU deutlich an. Man müsse den Sozialstaat gegen neoliberale Vorstellungen verteidigen! "Friedrich Merz ist ein Mann von gestern", erklärte Ott. Aber nicht nur der CDU-Bundeschef bekam sein Fett weg, auch Hendrik Wüst sprach Ott deutlich an.

Wüst mache eigentlich den ganzen Tag nichts anderes, als mit dem Finger nach Berlin zu zeigen. "Wer so oft nach Berlin zeigt, der will da aber anscheinend hin", so der Oppositionsführer. Dazu fehle dem Ministerpräsidenten allerdings die Substanz. "Wenn 20.000 Pfleger und Pflegerinnen sowie Erzieher und Erzieherinnen vor dem Landtag protestieren, verschwindet Hendrik Wüst durch die Hintertür."

Unternehmerpräsident: Regierung soll sich zusammenreißen

Unternehmer NRW, Präsident Arndt Kirchhoff

Klartext reden, das machen am Aschermittwoch nicht nur Politikerinnen und Politiker. Auch NRW-Unternehmerpräsident Arndt G. Kirchhoff nutzte den Tag. Er bezeichnete die anstehende Europawahl als "eine der wichtigsten Wahlen seit Bestehen der Europäischen Union", die nicht zu einer destruktiven Protestwahl werden dürfe. Ein "Dexit" würde Deutschland ruinieren. Kirchhoff nahm die Bundesregierung in die Mangel: Sie solle sich zusammenreißen und außerdem die Wirtschaft entlasten.

Die Landesregierung stehe für eine problembewusstere Politik, so der Unternehmerpräsident, doch auch sie könne ihren Teil dazu beitragen, Unternehmen zu unterstützen, beispielsweise durch vereinfachte Planungs- und Genehmigungsverfahren.

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