Gedenkstele in der Nähe des Unfallorts Le Vernet

Germanwings-Katastrophe: Witwe des Piloten erhält Landesverdienstorden

Stand: 20.02.2024, 11:55 Uhr

Kapitän Patrick Sondenheimer versuchte, seinen Co-Piloten stoppen, der Germanwings-Flug 9525 vor neun Jahren absichtlich abstürzen ließ. Sondenheimers Witwe Annika ließ sich später zur Trauerbegleiterin ausbilden. Dafür wird sie nun vom Land NRW geehrt.

Von Oliver Auster

Es ist eine der größten Katastrophen in der Geschichte der deutschen Luftfahrt – und auch eines der unverständlichsten Verbrechen in der jüngeren deutschen Geschichte: Der Co-Pilot von Germanwingsflug 9525 riss vor neun Jahren 149 Menschen mit in den Tod, als er die Maschine in den französischen Alpen zerschellen ließ. Den Kapitän des Fluges hatte der Co-Pilot aus dem Cockpit ausgesperrt. Laut Untersuchungen hatte Patrick Sondenheimer das Cockpit noch aufbrechen wollen, sogar mit einer Axt. Leider vergebens.

Sondenheimers Witwe Annika hat in ihrem Schicksal eine Berufung gefunden: Mit einer Stiftung steht sie trauernden Menschen zur Seite. Dafür erhielt sie von Ministerpräsident Hendrik Wüst am Mittwoch eine der höchsten Auszeichnungen Nordrhein-Westfalens: den Landesverdienstorden.

Der Tag der Katastrophe

Der 24. März 2015 ist ein Dienstag. Im Landtag haben die Fraktionen am Vormittag routinemäßig ihre wöchentlichen Sitzungen – auch die SPD, für die Juristin Annika Sondenheimer als Referentin arbeitet. Plötzlich unterbricht die amtierende Ministerpräsidentin Hannelore Kraft die Sitzung: Sie habe gerade die Nachricht erhalten, dass ein Flugzeug abgestürzt sei über den französischen Alpen. "Da war mir klar, dass es das Flugzeug meines Mannes sein könnte, da er sich gerade auf dem Weg zurück von Barcelona nach Düsseldorf befand", erinnert sich Sondenheimer.

"Mir war klar, dass es die Maschine meines Mannes sein könnte"

WDR 5 Westblick - aktuell 20.02.2024 04:09 Min. Verfügbar bis 19.02.2025 WDR 5


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Die Erinnerungen an den Todestag ihres Mannes seien nach wie vor sehr stark: "Insbesondere werden die Erinnerungen immer präsenter, je näher der Todestag auch tatsächlich im Datum des Jahres rückt", so die Düsseldorferin. Annika Sondenheimer und ihre Kinder – damals erst drei und fünf Jahre alt - sind plötzlich alleine. Unter Schock und voller Trauer.

Hilfe in der Trauer

"Wir haben von der ersten Sekunde an, nachdem klar war, was passiert ist, sehr viel Hilfe, sehr viel Unterstützung erfahren", berichtet Sondenheimer: "Sowohl meine Kinder als auch ich als auch unsere ganzen näheren Angehörigen. Und wir haben uns auch zu keiner Zeit alleine gefühlt."

Was Sondenheimer und ihren Kindern besonders hilft, ist die Unterstützung durch professionelle Trauerbegleiter: "Ich hatte mich damals mit dem Thema Trauer noch gar nicht auseinandergesetzt und Trauerbegleitung hat mir von den Begrifflichkeiten her auch gar nichts gesagt", so die Juristin. "Wir hatten das große Glück, dass eine Einrichtung direkt zu uns ins Haus gekommen ist - zwei Trauerbegleiter, die da waren für unsere gesamte Familie und direkt akut mit uns gesprochen haben. Das war eine große, große Hilfe für uns."

Der Tod verändert das Leben

Annika Sondenheimer wird für ihr Engagement geehrt

Annika Sondenheimer

Die Trauerbegleiter helfen der Witwe und ihren Kindern "bei allem, was danach für uns kam. Was für uns anstand an Entscheidungen. Was auf uns zukam bei der Beerdigung und was auch in den folgenden Monaten passierte."

Die Erfahrung mit dem Tod verändert Annika Sondenheimers Leben. Sie beschließt, selbst ehrenamtlich Menschen zu helfen, die einen Verlust erlitten haben. Und sie lässt sich zur Trauerbegleiterin ausbilden: "Weil ich diese Unterstützungsleistung als so wertvoll empfunden habe und so wichtig, dass ich gesagt habe, das möchte ich auch anderen Menschen zuteil werden lassen."

Die Düsseldorferin nutzt die Spenden nach der Germanwings-Katastrophe und gründet 2017 einen Stiftungsfonds. Er trägt den Namen ihres Mannes, Patrick Sondenheimer. Der Stiftungsfond macht es sich zur Aufgabe, Trauernden Hilfe zu ermöglichen: "Wir vermitteln Trauerbegleiterinnen und Trauerbegleiter in die Familien. Wir leisten aber auch Aufklärungsarbeit: Was ist eine Trauerbegleitung eigentlich? Was passiert in einem Trauerprozess?", erklärt sie.

Zurzeit baut die Stiftung auch Trauergruppen auf: "Wir haben ein Angebot für junge Trauernde in Düsseldorf. Das sind junge Menschen im Alter von Ende 20 bis Mitte 30, die einen Elternteil verloren haben oder womöglich auch einen Partner."

Ein Orden für das Ehrenamt

Die Witwe des Germanwings-Piloten erhält den Landesverdienstorden

Annika Sondenheimer (vorne links) bei der Verleihung des Landesverdienstordens

Nun wurde Annika Sondenheimer für ihr ehrenamtliches Engagement mit dem Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen geehrt. Ministerpräsident Hendrik Wüst verlieh ihr und 15 weiteren Menschen, die sich für das Gemeinwohl einsetzen, die Auszeichnung. Der Orden war 1986 vom damaligen Ministerpräsidenten Johannes Rau (SPD) ins Leben gerufen worden. Vergangenes Jahr bekam ihn unter anderem der Modedesigner Guido Maria Kretschmer. Aber auch Menschen, die nicht im Rampenlicht stehen.

Sondenheimer ist die Ehrung fast etwas unangenehm: Schließlich gebe es viele andere, die den Orden viel mehr verdient hätten, sagt sie. Als Berufstätige und Mutter könne sie selbst nur begrenzt Zeit für ihr Ehrenamt aufwenden. Sie sieht den Orden und die Feierstunde in der Staatskanzlei aber auch als Chance, für ihren Stiftungsfonds zu werben, der von Spenden lebt. "Durch Corona ist das Spendenaufkommen ein bisschen weniger geworden und insofern freuen wir uns, wenn wir wieder auf uns aufmerksam machen können, sagt sie.