Ukraine: Kommunen erwarten mehr Geflüchtete und fordern Hilfe

Stand: 14.09.2022, 10:11 Uhr

Die Kommunen in Nordrhein-Westfalen rechnen in Herbst und Winter mit deutlich steigenden Zahlen von Geflüchteten. Vom Land fordern sie mehr Sammelunterkünfte und eine gerechte Verteilung

Von Thomas DrescherThomas Drescher

Die Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen stellen sich mit Beginn der kälteren Jahreszeit darauf ein, dass deutlich mehr Geflüchtete ankommen werden - vor allem aus der Ukraine, in geringerem Maße aber auch aus anderen Ländern. Nach WDR-Recherchen hatten bis Ende August etwa 207.000 Menschen allein aus der Ukraine Schutz in NRW vor dem russischen Angriffskrieg gegen ihr Land gesucht.

Für die Kommunen besteht die besondere Herausforderung darin, für Unterkunft zu sorgen. "Etwa zwei Drittel dieser Menschen müssen die Kommunen in Wohnungen, Hotelzimmern oder Sammelunterkünften unterbringen", sagte Thomas Kufen (CDU), Oberbürgermeister von Essen und Vorsitzender des Städtetages NRW. Der angespannte Wohnungsmarkt macht die Lage vielerorts noch komplizierter. Die Kommunen sorgen zudem für Plätze in Kitas und Schulen.

Kommunen stellen Unterkünfte, Schul- und Kita-Plätze

Schon jetzt müssten einige Kommunen die Geflüchteten wieder in Turnhallen unterbringen, sagte Kufen. Birgit Naujoks vom Flüchtlingsrat NRW sieht womöglich Zustände wie im Jahr 2015 auf die Kommunen zukommen: "dass dort Notunterkünfte eröffnet werden, Containeranlagen, dass Menschen in Turnhallen untergebracht werden müssen." Es sei nicht ausgeschlossen, dass sich die Situation weiter zuspitzt.

Landkreistag: "Wir wollen keine Zustände wie 2015/2016"

Am Mittwoch warnte auch der Deutsche Landkreistag vor einer Überlastung: "Wir wollen keine Zustände wie 2015/2016, steuern aber genau darauf zu", sagte der Präsident Reinhard Sager (CDU) dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Vor allem fehlender Wohnraum sei ein Problem.

Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen

Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU)

Deshalb fordert Essens OB Kufen vom Land NRW, dass es seine Kapazitäten in den landeseigenen Unterkünften deutlich aufstockt. Von der Erstaufnahme Geflüchteter durch das Land erhofft er sich, dass die Menschen gerechter auf die Kommunen verteilt werden.

Streit um Verteilungsquote

Flüchtlingsministerin Josefine Paul (Grüne) hatte zuvor mitgeteilt, in den Landesunterkünften würden zusätzlich 1.100 Plätze speziell für Menschen aus der Ukraine geschaffen und damit die Kapazitäten von derzeit 3.400 bis Oktober auf 4.500 aufgestockt.

NRW hatte sich in einem Brief an das Bundesinnenministerium darüber beklagt, andere Bundesländer würden keine Menschen aus der Ukraine mehr aufnehmen, obwohl diese Länder die festgelegten Aufnahmequoten bisher nicht erfüllen.

Verschärft wird die Situation dadurch, dass viele Geflüchtete aus der Ukraine, die seit Monaten im Land sind und gehofft hatten, bald zurück zu kehren und privat untergekommen waren, sich nun auf einen längeren Aufenthalt in Deutschland einstellen. "Wir hören gehäuft, dass Menschen, die Flüchtlinge aus der Ukraine bei sich zuhause aufgenommen haben, jetzt sagen: Das Limit ist erreicht", berichtet Birgit Naujoks. Menschen, die eigentlich schon eine Unterkunft hatten, müssten nun neu versorgt werden.

Die Forderung nach einem Flüchtlingsgipfel

Der Deutsche Städtetag forderte von der Bundesregierung die schnelle Einberufung eines Flüchtlingsgipfels, um die "faire Verteilung" zu besprechen. Städtetagspräsident Markus Lewe (CDU), der auch Oberbürgermeister von Münster ist, sieht "dringenden Gesprächsbedarf" hinsichtlich der Aufnahmekapazitäten der Länder und der Kostenerstattung für die Kommunen.

Auch Lewe erwartet steigende Zahlen von Geflüchteten in Herbst und Winter. Aus seiner Sicht ist es absehbar, dass manche Ukrainerinnen und Ukrainer, die bisher in privaten Haushalten Zuflucht gefunden hatten, dort nicht länger bleiben können und staatlich untergebracht werden müssen. Vielerorts müssten wieder Turnhallen, Hotels und andere Einrichtungen belegt werden, so Lewe.

Zuletzt hatten Bund, Länder und Kommunen am 24. April gemeinsam über Geflüchtete gesprochen. Damals ging es vor allem um Fragen der Integration und um Schulplätze.

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