Noch einen Monat sind seine Papiere gültig. Was danach passiert, weiß Asef Nedai aus Krefeld nicht. Der gebürtige Afghane lebt seit fast acht Jahren in Deutschland und arbeitet als Integrationshelfer an einer Förderschule in Krefeld. Im Dezember ist sein Aufenthaltstitel abgelaufen. Mit ihm konnte er in Deutschland zuletzt zwei Jahre lang unbeschwerter leben, arbeiten und sogar ins Ausland reisen.
Asef Nedai lebt seit 8 Jahren in Krefeld.
Jetzt hat er nur noch Ersatzpapiere, die im Juni ablaufen. Obwohl er bereits vor acht Monaten eine Verlängerung seines Aufenthaltstitels beantragt hat, bekam er von der Krefelder Ausländerbehörde dazu bis heute keine Antwort. "Ich war immer zuverlässig. Ich habe eine Ausbildung gemacht und arbeite. Ich verstehe nicht, warum ich keinen Aufenthaltstitel oder einen vernünftigen Ausweis bekommen soll", sagt der 25-Jährige.
Nedai hängt in der Warteschleife, wie viele andere auch. Das Ausländeramt Krefeld schiebt derzeit rund 4.500 Anträge vor sich her. Sachbearbeiterin Yvonne Grunert und ihre Kollegen schaffen es nicht, den Rückstand abzuarbeiten: "Für mich selber ist jeder Fall, der hier länger liegt, weil er noch nicht bearbeitet wurde, enormer Druck."
Situation in vielen Behörden angespannt
Nicht nur in Krefeld ist der Rückstau groß. Das zeigt eine WDR Westpol-Umfrage in allen 81 Ausländerbehörden in NRW. Als Grund nennen die Städte und Kreise vor allem das Fehlen geeigneter Fachkräfte. Besonders angespannt war es im vergangenen Jahr in Mülheim an der Ruhr, Witten und Bergheim - dort waren mehr als 25 Prozent der Stellen unbesetzt. In Düsseldorf waren es 17 Prozent (Stand: 30.06.2022*).
In Neuss müssen Antragsteller aktuell mit rund sechs Monaten Bearbeitungszeit rechnen. Im Kreis Kleve sind es fast drei Monate. Denn in vielen Behörden stapeln sich die Anträge auf einen Aufenthaltstitel. So liegen in Düsseldorf aktuell 8.000 auf Halde.
*Abgefragt wurden Zahlen zum Stichtag 30.06.2022, da zu diesem Tag in den meisten Kommunen entsprechende Daten vorlagen. Die Personalsituation kann sich seitdem verändert haben.
Neue Mitarbeiter zu finden, sei für die Behörden schwierig. Sie konkurrieren nicht nur mit Unternehmen, sondern auch untereinander. Einige beklagen, dass in den letzten Jahren zu wenig Fachpersonal ausgebildet wurde. Viele Kommunen greifen auf Quereinsteiger oder Zeitarbeitsfirmen zurück.
Vor ihrem Einsatz müssen neue Mitarbeiter aber erst lange geschult werden. Jeder Antrag ist individuell, das Ausländerrecht ist komplex und ändert sich regelmäßig. Yvonne Grunert würde mehr Personal helfen – mehr Schultern, auf die die Arbeit aufgeteilt werden kann. Das würde auch die Wartezeiten für Ausländer reduzieren.
Ausländerbehörden brauchen mehr Personal
Einfach mehr Personal einzustellen, funktioniert aber nicht, sagt Andreas Pamp. Er leitet den Fachbereich Migration und Integration der Stadt Krefeld. Obwohl 13,4 Prozent der Stellen hier nicht besetzt sind, will Pamp die Abteilung weiter ausbauen. Allerdings fehle vielen Kommunen wie Krefeld das Geld dafür.
Andreas Pamp, Fachbereichsleiter Migration und Integration Stadt Krefeld
Pamp kritisiert, dass die Ausländerbehörden immer mehr zu tun haben: "Der Bund und das Land schaffen immer neue Aufgaben, auch durch immer neue Rechtssetzungen – gerade im Aufenthaltsrecht. Aber die Stellen, um diese gut und schnell umzusetzen, kommen nicht mit." So können beispielsweise Geflüchtete aus der Ukraine oder aus den Erdbebengebieten der Türkei Aufenthaltsbescheinigungen direkt bei den Ämtern beantragen, ohne vorherige Prüfung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Zudem ist die Zahl der Asylerstanträge in den vergangenen fünf Jahren um 90 Prozent gestiegen.
Lange Wartezeiten für Ausländer
Die Folgen sind für viele Ausländer im Alltag spürbar. Läuft der befristete Aufenthaltstitel ab, können sie ihren Job verlieren, keine neue Beschäftigung aufnehmen oder finden keine Wohnung. Um das zu verhindern, stellen viele Behörden eine Fiktionsbescheinigung aus, ein zeitlich befristetes Ersatzdokument. Dieses verlängert den vorherigen Titel nur vorläufig, bis das Amt über den Antrag entschieden hat.
Das Problem: Viele Arbeitgeber akzeptieren die Fiktionsbescheinigung nicht. Sie verlängert zwar den vorherigen Aufenthaltstitel, gibt aber keine Auskunft über den Erfolg des Antrags – auch, wenn die Chancen gut stehen. Für Geflüchtete wird es dadurch schwierig, einen Job zu finden bzw. zu behalten.
Asef Nedais Fiktionsbescheinigung läuft im Juni aus. Gerne würde er sich um einen Ausbildungsplatz als Erzieher bewerben. Die Ausländerbehörde Krefeld sagt auf Westpol-Anfrage immerhin, dass er in zwei bis drei Monaten mit einer Antwort rechnen könne. Für Nedai die erste Reaktion auf seinen Antrag – nach einem Dreivierteljahr.
Über dieses Thema berichtete Westpol am 7. Mai 2023 um 19:30 Uhr im WDR Fernsehen.