Seit Langem schneiden Schülerinnen und Schüler in Deutschland bei der PISA-Studie nur mäßig ab. Häufig hapert es schon bei den Grundkompetenzen wie Lesen, Schreiben, Mathematik.
Vor dem Start des neuen Schuljahres hat NRW-Schulministerin Dorothee Feller (CDU) am Donnerstag verschiedene Neuerungen angekündigt, die das Können vor allem von Grundschulkindern verbessern sollen:
- Der Unterricht in den Fächern Deutsch und Mathematik wird um jeweils eine Stunde pro Woche erweitert. Das bedeutet für die ersten bis vierten Klassen sechs Stunden Deutsch und fünf bis sechs Stunden Mathematik pro Woche. Weil dazu noch die Ausbildungsordnung geändert werden muss, startet das Ganze aber frühestens im 2. Schulhalbjahr.
- Um die oft mangelhafte Sprachfähigkeit vieler Grundschüler zu verbessern, plant Feller ein "Screening"-Programm, das etwa ab Oktober starten soll: Alle Erstklässler des nächsten Schuljahres sollen mit der Anmeldung an eine Grundschule einen Test machen. Die sprachlichen Fähigkeiten und Defizite werden ausgewertet, Eltern erhalten dann das Ergebnis der Analyse, dazu "passgenaue Übungen". Ab Herbst 2025 soll das Programm allen Grundschulen kostenfrei auch digital zur Verfügung stehen.
Der große Haken bislang: Eigentlich plant die Schulministerin, die Ergebnisse des Screenings an die Kita des jeweiligen Kindes weiterzuleiten, damit dem Kind dort gezielt geholfen werden kann. Aus rechtlichen Gründen aber sei eine solche Übermittlung bisher nicht möglich. Man arbeite an einer Lösung, sagte Feller am Donnerstag vage. Solange appelliere sie an die Eltern, die zur Verfügung gestellten Übungen selber zu nutzen.
Kitas schon jetzt überlastet
Die ohnehin schon überlasteten und unter Personalmangel ächzenden Kitas dürfte diese Nachricht heute überrascht haben. Wie sie die neue Aufgabe künftig stemmen sollen, ließ Feller ebenfalls offen. Ungeklärt bleibt auch, wie Eltern, die möglicherweise ebenfalls Sprachdefizite haben, eigenständig Übungen mit ihren Kindern machen sollen.
Die Vorsitzende der Lehrergewerkschaft GEW, Ayla Celik, erklärte später: "Screening und Diagnostik bringen nichts, wenn es kein Personal gibt, das Förderempfehlungen umsetzen kann." Der Erfolg dieser Maßnahmen hänge "wieder mal vom Aufopferungsgrad der Lehrkräfte und dem Engagement der Eltern ab".
"Es ist ein großes Brett" räumte Feller ein, der kindliche Wortschatz sei heute deutlich geringer als noch vor einigen Jahren.
KI-Pilotprojekt startet
- Zum Umgang mit Künstlicher Intelligenz startet im Herbst im Ministerium ein Pilotprojekt, bei dem später 25 ausgewählte Schulen erarbeiten sollen, wie KI sinnvoll im Unterricht eingesetzt werden kann. Arbeitsergebnisse sollen bereits während der dreijährigen Projektphase auch andere Schulen zugute kommen. "KI wird künftig eine enorme Rolle spielen", sagte Feller, "wir müssen unsere Schulkinder dafür fit machen".
Lehrerverband: "Heikle Themen großzügig umschifft"
Der Lehrerverband NRW lobte zwar "einige positive Impulse" des Schulministeriums. "Heikle Themen hat die Ministerin in der heutigen Pressekonferenz zum Schuljahresauftakt allerdings großzügig umschifft", kritisierte der Verbandsvorsitzende Sven Christoffer. So bleibe der Lehrkräftemangel angesichts über 6.000 unbesetzter Stellen auch im Schuljahr 2024/25 die größte Herausforderung für die Schulen in NRW.
Zwar habe Feller mehr Menschen ins System gebracht, "aber eben nicht nur grundständig ausgebildete Lehrkräfte", sagt Christoffer - sondern auch viele Sozialpädagogen und Alltagshelfer. Dieses zusätzliche Personal sei wichtig, ersetze allerdings keine Lehrkräfte. Eine stabile Unterrichtsversorgung bleibe damit an vielen Schulen "ein Drahtseilakt".
"Berufsbedingungen müssen besser werden"
Ähnlich reagierte der Philologenverband NRW: Das "aktuellste und drängendste Problem" bleibe die Versorgung der Schulen mit Lehrkräften. "Auf kurze Sicht gibt es dafür keine Lösung", sagt Verbandsvorsitzende Sabine Mistler. Arbeitsbedingungen für Lehrkräfte müssten grundlegend verbessert werden, damit das Lehramt für junge Menschen wieder attraktiv werde.
Dazu gehöre auch die Entlastung der Lehrkräfte von bürokratischen Aufgaben, mehr Zeit für guten Unterricht, bessere Teilzeit-Möglichkeiten und die Vermeidung wunschortferner Versetzungen.
Auch künftig werden tausende Grundschullehrer fehlen
Mistler warnte: Wenn im Schuljahr 2026/27 erstmals wieder ausschließlich G9-Klassen unterrichtet werden sollen, würden zusätzliche mehrere Tausend Stellen an den Gymnasien benötigt.
Anfang der Woche hatte das Schulministerium noch erklärt, NRW sei gut aufgestellt für den vollständigen Wechsel von G8 zu G9: 3.000 sogenannte Vorgriffsstellen seien bereits vorsorglich besetzt. Diese Lehrkräfte füllen bis dahin die Personallöcher an Grundschulen.
Am Donnerstag aber räumte Schulministerin Feller ein: Wenn diese 3.000 demnächst aus den Grundschulen abgezogen werden müssen, gehe die Suche nach Lehrpersonal weiter.