Groß war die Aufregung im Jahr 2005, als das NRW-Schulministerium beschloss, die Gymnasialzeit von neun auf acht Schuljahre zu kürzen. Die Idee dahinter: Schülerinnen und Schüler sollten schneller fertig werden und in Ausbildung oder Studium kommen, um den schon damals wachsenden Fachkräftemangel aufzufangen.
Mit dem Schuljahr 2019/20 kam dann der Rückzieher: Die damalige neue Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) traf die Entscheidung, zu neun Jahren Gymnasialzeit - G9 - zurückzukehren. Sämtliche damaligen Fraktionen im Landtag stimmten zu.
G8 "keine Akzeptanz"
Die praktische Umsetzung von G8 habe "nicht dauerhaft die notwendige Akzeptanz an Schulen und in der Öffentlichkeit gefunden", schrieb das Schulministerium damals. Jetzt tritt der letzte verbliebene G8-Jahrgang zum Abi-Schuljahr an. 2027 wird dann der erste neue G9-Jahrgang Abitur machen.
Im Schulministerium schaut man offenbar zufrieden auf den Wechsel: "Dass die Umstellung geräuschlos läuft, zeigt: Die Entscheidung war richtig und gut vorbereitet", bestätigte das Ministerium auf WDR-Nachfrage.
Zusätzliche Klassen brauchen zusätzliche Lehrkräfte
Eine Herausforderung dabei: Trotz des ohnehin schon eklatanten Personalmangels müssen für das zusätzliche Schuljahr wieder mehr Lehrkräfte generiert werden. Auf rund 4.200 neue Lehrkräfte beläuft sich laut Schulministerium der Mehrbedarf zum Schuljahr 2026/27. Rein rechnerisch seien es nur 3.300, erklärte ein Sprecher, aber die bis dahin in Rente Gehenden müssten ebenfalls ersetzt werden.
Vorsorglich habe man deshalb schon ab dem Schuljahr 2020/21 schrittweise Lehrkräfte über den aktuellen Bedarf hinaus eingestellt - auf insgesamt 3.000 sogenannte "Vorgriffsstellen". Sie werden in der Zwischenzeit dort eingesetzt, wo Lehrermangel besteht: vor allem in den Grundschulen. Im Gymnasialbereich dagegen war laut Personalstatistik des Schulministeriums der Lehrkräftebedarf an Gymnasien zum Stichtag 3.6.2024 etwas mehr als gedeckt. Aus Sicht des Ministeriums eine "Win-Win-Win-Situation".
Der zusätzliche Jahrgang kostet das Land auch Geld - denn es werden mehr Räumlichkeiten gebraucht. Insgesamt 518 Millionen Euro stellt das Land den Schulen für die Investition in den benötigten zusätzlichen Schulraum zur Verfügung.
Lehrerverband in Sorge, ob neue Stellen ausreichen
Auch aus Sicht der Lehrkräfte sei die Rückumstellung "sowohl inhaltlich als auch organisatorisch recht gut gelaufen", sagt die Vorsitzende des Philologenverbands NRW, Sabine Mistler. Das sei aber hauptsächlich dem Einsatz engagierter Lehrerinnen und Lehrern zu verdanken, die beim Einstieg der ersten beiden Jahrgänge die neuen Lehrpläne "sehr kurzfristig auf der Schulebene einführen und anpassen mussten".
Mit Sorge blickt der Verband aber auf die künftige Personallage: Schon jetzt fehlten - trotz des rechnerischen Überhangs - an vielen Gymnasien fachspezifisch Lehrkräfte. Es sei gut, dass über die "Vorgriffsstellen" neue Lehrkräfte gewonnen wurden - allerdings seien die größtenteils jetzt an andere Schulformen abgeordnet. "Ob und inwieweit diese dann nach dem Vollausbau von G9 komplett zur Verfügung stehen, bleibt abzuwarten, denn es gibt auch Lehrkräfte, die an ihrer Abordnungsschule bleiben möchten", sagt Mistler.
Quellen:
- Schulministerium NRW
- Philologenverband NRW
- Personalstatistik Schulministerium NRW
- DPA