Wegen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine hat Deutschland seine Gasversorgung umgestellt. Vorher kam ein großer Teil aus Russland, seit Anfang September kommt aber nichts mehr.
Seit Monaten bereitet sich Deutschland darauf vor. Unter anderem werden Flüssiggas-Terminals in Norddeutschland gebaut, wo entsprechende Schiffe anlanden können, um deutschen Haushalte und die Industrie mit dem Energieträger Gas zu versorgen.
Geographisch näher an NRW liegen die Terminals in den Niederlanden und Belgien. Von dort aus kommt bereits Gas nach NRW. Die Landesregierung will nun mehr Gas vom LNG-Terminal in Zeebrügge in Belgien importieren. Über die Zeelink-Pipeline können von Zeebrügge nach NRW normalerweise 22 Millionen Kubikmeter Gas transportiert werden.
Aktuell sind es wegen der Gaskrise 30 Millionen Kubikmeter. So eine erhöhte Liefermenge ist aber nur kurzfristig möglich. Langfristig will die NRW-Landesregierung jetzt die Kapazität auf 34 Millionen Kubikmeter erhöhen. Dafür müsste aber eine 48 Kilometer lange Pipeline in Belgien gebaut werden.
Nur Zusage des Bundes fehlt
Belgien hat bereits zugesagt, die Pipeline zu bauen und ist im Austausch mit der Bundesnetzagentur über regulatorische und technische Voraussetzungen. "Die Landesregierung erwartet, dass der Bund gegenüber den belgischen Partnern verbindliche Zusagen in der notwendigen Form zeitnah macht.", teilt ein Sprecher des NRW-Europaministerium dem WDR-Magazin Westpol mit.
Heißt: Die Bundesregierung soll verbindlich zusagen, die zusätzliche Gasmenge abzunehmen, damit der Bau der Pipeline sich auch lohnt. Doch die Gasinfrastruktur ist normalerweise nicht Aufgabe der Regierung. Private Unternehmen ermitteln, wie viel Gas benötigt wird und entwickeln auf dieser Grundlage mit dem Netzentwicklungsplan den Ausbau des Netzes. Die Bundesnetzagentur prüft und bestätigt lediglich diesen Plan.
Staat greift wegen Krise stärker ein
Wegen der Krise ändert sich das Vorgehen gerade, sagt Energieökonom Claudia Kemfert vom DIW: "Wir haben Anforderungen an eine neue Gasinfrastruktur und ein neues Pipeline-System und da stellt sich die Frage, wer investiert und wie gestaltet man das?"
Die Energie-Ökonomin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung.
Bleibt die Frage, ob diese neue Gaspipeline wirklich gebraucht wird. Schließlich will Deutschland in Zukunft klimaneutral werden und nicht mehr auf fossile Energieträger wie Gas setzen. Die Pipeline soll in Zukunft auch Wasserstoff transportieren können, was klimaneutral hergestellt werden kann und Gas ersetzen soll.
Neue Gaspipeline: Passt das zu den Klimazielen?
Trotzdem ist Energieökonomin Claudia Kemfert der Auffassung, dass keine neue Gas-Pipeline gebraucht wird:
Der Pressereferent von Open Grid Europe, Andreas Lehmann.
Auch der größte Gastransporteur Deutschlands Open Grid Europe, der die Zeelink-Pipeline gebaut hat und sie wartet, strukturiert um und setzt statt auf Gas längst auf grünen Wasserstoff: "Das ist das, wo die Reise hingeht. Das bewährte Erdgasnetz wird komplett in Richtung grünen Wasserstoff umgebaut.", erklärt Pressereferent Andreas Lehmann.
Die Krise krempelt die Gasversorgung in Deutschland um - auch in NRW: Der Staat greift stärker ein und willl Gaspipelines Richtung Westen, die uns vielleicht länger als nötig an fossiles Gas fesseln. Gleichzeitig stellt die Industrie Weichen zu alternativen Energieträgern wie grünem Wasserstoff.